Die Toten des Meisters - Konrads erster Fall
gegenüber, beide Schwerte gekreuzt in der Luft. Ich spürte seinen Druck. Sein Atem ging stoßweise. Keiner von uns war bereit nachzugeben. Bevor er aber zurückweichen konnte, ließ ich mein Schwert mit der rechten Hand los und schwang die Klinge hoch über den Kopf auf meinen Rücken. Die Klinge des Mörders glitt an meinem Schwert vorbei ins Leere. Von seiner eigenen Kraft vorwärts gedrängt, verlor er seinen Stand. Ein schneller Schritt und ich stand direkt neben ihm. Mein rechter Arm schlug hart gegen seine Brust, und mit einer gleitenden Drehbewegung warf ich ihn über die Hüfte zu Boden. Schwer schlug er auf. Meine Schwertspitze berührte seine Kehle.
„Ihr lasst jetzt Eure Waffe fallen. Zwingt mich nicht, Euch zu töten“, warnte ich ihn.
Klirrend fiel sein Schwert zu Boden.
„Na, los, steht auf.“ Ich trat einen Schritt zurück und ließ ihn hochkommen. In diesem Moment tauchte in meinem Augenwinkel eine Gestalt auf. Thomas!
Mit einem Satz war der Mörder bei dem Jungen. Einen Dolch in der Hand, riss er Thomas als Schild vor sich und hielt ihm die Klinge vor das Gesicht.
„Wie mir scheint, hat sich das Blatt gewendet. Das Schwert weg und den Dolch da am Gürtel fallengelassen, oder ich zerschneide dem Jungen erst die Augen und schlitze ihm dann die Kehle auf.“
Welche Wahl hatte ich? Ich warf mein Schwert auf den Boden und löste den Gürtel mit dem Dolch.
„Ihr habt doch keinen Ausweg, Winkelbrecht, oder soll ich Bruder Georg sagen? Was ist Euch lieber?“
Der Mörder lächelte. „Namen, was sind schon Namen? Denkt immer daran, in mir habt Ihr Euren Meister gefunden. Ich werde jetzt den Hof hier verlassen, und wenn Ihr an dem Jungen hängt, dann folgt Ihr mir nicht. Vielleicht lasse ich ihn am Hafen laufen, vielleicht nehme ich ihn aber auch noch ein Stück mit. Wer weiß, womöglich gefällt es ihm bei mir.“
„So weit werdet Ihr nie kommen, denn Ihr bleibt, wo Ihr seid.“
Der Mörder lachte kurz auf: „Wer sollte mich aufhalten – Ihr, Konrad, der Schnitzer?“
„Ihr werdet jedenfalls diesen Hof nicht verlassen, dafür sorgen die drei Regeln.“
Ich schaute Thomas an, eine stumme Bitte, das Richtige zu tun.
„Was für Regeln?“
„Kämpfe, um zu siegen“, erklärte ich. „Und die Augen verraten den Angriff.“
„Schön, und was soll mir das jetzt …“
„Primus!“, brüllte ich mit gellender Stimme über den Hof. Im nächsten Augenblick biss Thomas dem Mörder in die Hand, dann ließ er sich in die Knie sinken, weg von der tödlichen Klinge. Der Mörder schrie auf und versuchte, Thomas zu halten. Das war Zeit genug. Meine rechte Hand schoss nach oben. Ich zog das Wurfmesser aus der Nackenscheide, warf es, ohne zu zielen, und traf. Mit einem Gurgeln taumelte der Mörder nach hinten. Ungläubig starrte er auf das Messer in seiner Brust. Seine Hände verkrampften sich um den Griff, versuchten verzweifelt, die Klinge herauszuziehen. Kämpfe, um zu siegen!
Ich hätte ihn lebend gebraucht, doch mir war keine Wahl geblieben. Thomas stand wie versteinert da. Ich nahm ihn in den Arm und drückte ihn fest an mich. „Geh schnell ins Haus und befreie deine Mutter.“ Während Thomas losrannte, kniete ich mich neben den Sterbenden.
„Wie … wie …“ Aus seinem Mund floss Blut, seine Stimme wurde ein heiseres Krächzen. „W ie lautet die dritte …?“
„Unterschätze niemals deinen Gegner!“
Doch das hörte er nicht mehr. Sein Körper bäumte sich auf, Sekunden später war er tot.
Ich zog mein Messer aus seiner Brust, wischte es an seinem Mantel ab und steckte es ein. Dann holte ich meine übrigen Waffen und lief zu Johannas Haus. Im Flur kam sie mir entgegen und fiel mir schluchzend in die Arme.
„Es ist vorbei, mach dir keine Sorgen.“ Behutsam strich ich ihr über das Haa r.
Johanna lebte, Thomas lebte, das war das Wichtigste. Ich spürte, wie sie sich langsam beruhigte. Sie löste sich aus meinen Armen, wischte sich die Tränen aus dem Gesicht. Doch noch bevor einer von uns beiden etwas sagen konnte, hörten wir auf dem Hof zwei vertraute Stimmen:
„Meine Fresse, ist der tot!“
„Ja, Dreck und Satansarsch – ich glaub, Jupp, wir beiden haben das Beste verpasst.“
„Ja, leck mich doch, wisst ihr beiden eigentlich, wie oft ich heute schon durch die Stadt gehetzt bin?“
Weder Heinrich noch ich gingen auf Jupps Gejammer ein. Der Tote in Johannas Hof, Jupp hatte ihn beiseite gezerrt und eine alte Decke über ihn geworfen, hatte als Bruder Georg seit
Weitere Kostenlose Bücher