Die Toten des Meisters - Konrads erster Fall
aufgerissen, das Gesicht vor Angst verzerrt. Den Schatten nahm ich zu spät wahr. Ich hörte ein Schwirren in der Luft, und dann traf mich der Bolzen. Es war , als hätte ich einem Rammbock im Weg gestanden . Die Wucht des Treffers ließ mich nach hinten taumeln. Ich musste gar nich t schauspielern, ich verlor den Boden unter den Füße n und schlug rückwärts hin. Bleib einfach liegen und lass den Schmerz langsam vergehen, sagt e ich mir. Der Harnisch, den ich mi r im Blidenhaus von den Stadtknechten ausgeliehen hatte, drückte zusammen mit den Lederplatten schwer auf meiner Brust. Aber er hatte mir da s Leben gerettet. Zum Glück war Moritz im Blidenhau s gewesen. Er hatte mir, ohne weitere Fragen zu stellen, geholfen, in aller Eile den Harnisch anzulegen und mein Hemd überzustreifen. Mit einer Hand tastete ich vorsichtig meine Brust ab. In den Metallplatten war eine tiefe Beule, aber sie hatten dem Bolzen standgehalten. Zu meine m Glück waren mir der tote Burgunde r und die kleine Armbrust, mit der der Mörde r zugeschlagen hatte, noch rechtzeitig eingefallen. Ich hörte Schritte und schloss die Augen. Der Mörder blieb stehen. Wahrscheinlich wollte er sich vergewissern, das s er richtig getroffen hatte. Ich musste an den Mühlstein denken. Wer weiß, was ih m noch einfiel. Ich hatte lange genu g gewartet.
Der Meister schaute sich den toten Schnitzer an. Als erstes fielen ihm das Langschwert und der Dolch auf. Warum war dieser Kerl bewaffnet? Als zweites stach ihm der Brustkorb des Toten ins Auge: kein Blut, und unter dem dünnen Leinenhemd wirkte der Körper ungewöhnlich dick. Der Meister zog sein Messer. Er hatte lange genug gewartet.
Aus den Augenschlitzen sah ich die Klinge aufblitzen, das reichte. Ich zog das rechte Bein an und trat mit aller Kraft gegen das Knie des Mörders. Dann sprang ich auf. Der Mörder stieß einen kurzen Schrei aus und knickte zur Seite. Ich wollte mich auf ihn stürzen, doch er war schneller, als ich vermutet hatte. Sein Messer zuckte hoch und zerschnitt mein Hemd. Ohne den Harnisch hätte er mir den Unterleib aufgeschlitzt. Ich sprang einen Schritt zurück. Der Mörder griff schon wieder an. Sein Knie musste höllisch schmerzen, aber er ließ sich nichts anmerken. Mit einem wütenden Knurren rammte er mich mit der vor gebeugten Schulter zur Seite und stürzte durch die Tür nach draußen.
Im Raum hörte ich Johanna stöhnen, doch ich durfte den Mörder nicht entkommen lassen. Ich rappelte mich hoch. Die Hoftür stand offen. Ich sprang die Stufen hinunter in den Hof. Keine vier Schritte entfernt stand er – er hatte auf mich gewartet.
Er wusste, der Schnitzer würde ihm nachkommen. Sein Gegner war listig. Der Schachzug mit dem Brustharnisch war klug gewesen. Doch das alles half dem Schnitzer jetzt nicht mehr. Nicht, wenn es Mann gegen Mann hieß. Er war der Meister, er hatte bei den Besten gelernt. Mit einer fließenden Bewegung zog er sein Schwert und griff an.
Ich sah das Blitzen der Schwertklinge rechtzeitig. Der Mörder war schnell, keine Frage, und er glaubte, leichtes Spiel zu haben. Damit war die Überraschung auf meiner Seite.
Ich zo g mein Schwert und blockte seinen Schlag ab. Die Klingen trafen klirrend aufeinander. Der Mörder glitt mühelos einen Schritt zurück und holte erneut aus. Ich blockte seinen Schlag, einen klassischen Zornhau. Doch er ergriff mit seiner linken Han d die Mitte seines Schwertes und stach wie mi t einer Lanze zu. Ich riss meine Wa ffe hoch und schlug damit seine Klinge zur Seite. Im gleichen Augenblick erkannte ich meine n Fehler, denn der Mörder nutzte den Schwung, riss sein Schwert herum und knallte mi r dessen Knauf ans Kinn. Ich taumelte zurück. V or meinen Augen verschwamm alles – ich Idiot! Zwei weitere, wütend ausgeführte Hiebe konnte ich zwar abwehren, aber er trieb mich quer übe r den Hof.
„Na los, kämpft! Oder ist das alles, was Ihr mit dem Schwert gelernt habt!“, höhnte er.
Ich konnte wieder klar sehen. Ich ließ, scheinbar außer Atem, meine Klinge sinken, und richtig – statt zuzuschlagen, kam er einen Schritt näher, um seinen Stich auszukosten. Nur aus den Handgelenken zog ich mein Schwert nach oben und schnitt von unten nach oben über seinen Waffenarm. Sein Schrei verriet Überraschung und Schmerz zugleich. Jetzt griff ich an. Er hatte Mühe, meine schnellen Schläge zu blocken. Zum ersten Mal erkannte ich Unsicherheit und Angst in seinen Augen. Metall klirrte auf Metall.
Jetzt standen wir uns
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