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Die Toten, die niemand vermisst: Ein Fall für Sebastian Bergman (German Edition)

Die Toten, die niemand vermisst: Ein Fall für Sebastian Bergman (German Edition)

Titel: Die Toten, die niemand vermisst: Ein Fall für Sebastian Bergman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Hjorth , Hans Rosenfeldt
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Ihren Verwandten und Bekannten würde das nicht gefallen. Womit sie ja auch recht hatten. Andererseits wollte sie keinen von ihnen mitnehmen. Sie würden sie nur hemmen, an ihrer Stelle das Wort ergreifen und dafür sorgen, dass sie stumm blieb. Und dann wäre alles vergebens gewesen. Das wollte sie nicht. Sie wollte mit ihrer eigenen Stimme erzählen, vom Anfang bis zum Ende. Ihre Freunde wussten bereits, wie sie kämpfte und nie aufgab. Aber würden sie wirklich verstehen, dass sich Frauen in Schweden allein mit einem Mann treffen konnten, ohne Anstandswauwau? Sie bezweifelte es.
    Also durfte es niemand erfahren. Sie ging in den Flur und setzte sich neben das schwarze, drahtlose Telefon. Es stand auf einem Beistelltisch, und sie musste daran denken, wie Hamid und sie es gekauft hatten. Ein Telefon, erstanden in dem großen Kaufhaus, das mittlerweile Bromma Blocks hieß und so viele unterschiedliche Elektrogeräte im Angebot hatte, dass sie es erst gar nicht glauben konnten. Fernseher, eine ganze Wand voll mit bewegten Bildern. Reihe um Reihe, darunter Kartons, die alles enthielten, vom Kopfhörer bis zum DVD-Spieler. Hamid und sie hatten sich angesehen und nur darüber gelacht, dass sie beide, die glaubten, inzwischen zu Geld gekommen zu sein, offenbar doch so wenig besaßen.
    Sie hatten ein Telefon gekauft und den billigsten Fernseher, den sie finden konnten. Said hatte sie mit den neuen Errungenschaften nach Hause gefahren. Sie erinnerte sich noch, wie sie auf der Rückbank gesessen und voll Vorfreude die weiße Verpackung mit dem Bild des Telefons befingert hatte. Es kaum hatte abwarten können, sie zu öffnen. Das Gerät in der Hand zu halten.
    Viele Abende lang hatten sie versucht, ihre Verwandten und Freunde in Kandahar in Afghanistan zu erreichen. Doch es war immer schwer gewesen. Die Handys der anderen funktionierten nur selten, und wenn man einmal durchkam, konnte die Verbindung jeden Moment wieder unterbrochen werden. Dennoch wurde ihr warm ums Herz, wenn sie an diese Stunden zurückdachte.
    Die Verbindung nach Hause.
    Die fröhlichen Stimmen im Hintergrund.
    Sie hatten dort zusammen gesessen, nah beieinander, Hamid und sie. Sie hatte Tee gekocht, er die unterschiedlichen Telefonnummern gewählt, und gemeinsam hatten sie gehofft. Oft war es ihnen nicht gelungen, jemanden zu erreichen, aber wenn doch, hatten sie beide vor Freude aufgeschrien, und sie hatte sich näher an den Hörer gedrückt, um jedes Wort aus der alten Heimat mitzubekommen. Und er hatte es zugelassen. Dass sie zuhörte. Sie angelächelt. Ihre Hand gestreichelt, während sie still neben ihm gesessen und einfach nur gelauscht hatte.
    Hamid. Ihr Mann.
    Jetzt nahm sie das Telefon in die Hand und starrte es an. Inzwischen war es nicht mehr oft in Gebrauch. Wenn sie, was selten vorkam, etwas aus ihrer alten Heimat erfuhr, dann meistens bei Freunden, wo sie mit den Frauen in der Küche saß, während die Männer draußen redeten. Aber es war nicht dasselbe. Ganz und gar nicht. Doch sie selbst konnte nicht anrufen, denn die Leute wollten mit einem Mann sprechen, nicht mit ihr. So war es eben.
    Sie wählte eine der Nummern aus dem Brief. Eine Handynummer. Die Schweden gingen fast immer an ihr Handy, das wusste sie, also versuchte sie es zuerst dort. Nach dem zweiten Tuten meldete sich eine Männerstimme.
    «Ja, Lennart Stridh?»
    Zunächst wagte sie es nicht, etwas zu sagen. Sie hatte wohl gehofft, dass er sich nicht melden würde, damit sie sich weiter in Gedanken auf das Gespräch vorbereiten konnte, anstatt es tatsächlich zu führen. Doch der Mann am Handy erwartete eine Antwort.
    «Hallo? Hallo, hier ist Lennart!»
    Sie fühlte sich gezwungen, zu reagieren, doch ihre Stimme versagte beinahe.
    «Hallo, mein Name ist Shibeka Khan, Sie haben mir einen Brief geschickt.»
    «Entschuldigung, ich habe Sie nicht richtig verstanden.»
    Sie nahm einen neuen Anlauf, denn sonst verlor der Mann wahrscheinlich bald die Geduld mit ihr.
    «Einen Brief. Ich habe einen Brief von Ihnen bekommen. Shibeka Khan ist mein Name.»
    Sie hörte, wie seine Neugier geweckt wurde.
    «Ja, hallo, wie schön, dass Sie anrufen», sagte er mit neuer Energie in der Stimme. «Wie ich Ihnen ja geschrieben habe, interessieren wir uns für das Verschwinden Ihres Mannes. Ich kann nichts versprechen, aber wir finden, die Sache wäre es wert, näher untersucht zu werden.»
    Der Mann redete so schnell, dass sie nicht alles verstand. Aber mit dem Wort «interessieren» konnte sie auf

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