Die Toten, die niemand vermisst: Ein Fall für Sebastian Bergman (German Edition)
Folgefrage. Gesagt, dass sie die Tüte in den Müll geworfen habe.
Gleichzeitig war sie froh gewesen, denn Sebastians heftige Reaktion hatte ihr bestätigt, dass sie auf der richtigen Spur war. Sebastian schien Angst vor diesem Lithner zu haben. Also half sie Sebastian wirklich, wenn sie auf eigene Faust Nachforschungen über Lithner anstellte, um ihn so zu überführen. Aber jetzt schien die Detektivarbeit offenbar ein Ende zu haben.
«Warum sollte ich denn nicht Ihre Kundin sein?», fragte Ellinor und rutschte ein wenig auf ihrem Stuhl vor, zur Flucht bereit, falls Valdemar gewalttätig würde.
«Ich glaube nicht, dass ich Ihnen helfen kann. Wir sehen uns nun schon zum vierten Mal, und Sie haben Ihre Firma noch nicht einmal gegründet!»
«Mir sind ein paar Sachen dazwischengekommen …»
«Wissen Sie, was ich vorschlagen würde? Sie gründen Ihre Firma, und wenn Sie so weit sind und alle Formalitäten erledigt haben, kommen Sie wieder, und wir sehen, was wir für Sie tun können.»
Zu seiner großen Verwunderung nickte Ellinor und stand auf.
«Ja, das ist vielleicht das Beste.»
Valdemar erhob sich ebenfalls. Aus irgendeinem Grund hatte er mit einem größeren Widerstand gerechnet. Immerhin hatte sie mehr als sechs Stunden in seinem Büro verbracht, dafür gezahlt und keinen Nutzen daraus gezogen. Er hatte erwartet, dass sie sich noch ein wenig festbeißen würde. Warum, wusste er nicht genau, irgendwie hätte es zu ihr gepasst.
Doch jetzt beobachtete er, wie sie ihren Mantel von der Stuhllehne nahm und auf die Tür zusteuerte.
«Vielen Dank jedenfalls. Es war trotzdem sehr aufschlussreich», sagte sie und drückte die Klinke.
«Danke, freut mich, dass ich Ihnen helfen konnte.»
Ellinor lächelte ihm noch einmal zu, ging hinaus und schloss die Tür. An der Rezeption zog sie ihren Mantel über und dachte fieberhaft nach. Hatte er sie durchschaut?
Sie atmete tief durch. Beruhigte sich und unterzog die Situation einer nüchternen Betrachtung. Sie war immer noch unter ihrer alten Adresse gemeldet, eine Verbindung zwischen Sebastian und ihr ließ sich also nicht herstellen, es sei denn, Lithner hatte sie beschattet. Aber das schien eher unwahrscheinlich. Es stimmte wohl, was er sagte – er hatte das Gefühl, ihr nicht helfen zu können. Und nun kam sie nicht weiter. Es war an der Zeit, dass ein Profi den Fall übernahm. Sebastian brauchte nie zu erfahren, dass sie für Valdemar Lithners Verschwinden gesorgt haben würde. Es wäre ihr heimliches Geschenk an ihn. Ihr Liebesbeweis.
Und anschließend sollte nichts mehr ihre Liebe in Gefahr bringen.
[zur Inhaltsübersicht]
S hibeka ging in der Wohnung auf und ab. Sie war freudig erregt, aber gleichzeitig hatte sie so lange auf dieses Ereignis gewartet, dass es sie jetzt, wo es endlich eingetroffen war, geradezu ängstigte. Sie setzte sich und betrachtete erneut den Brief, den sie vorsichtig auf dem Tisch abgelegt hatte. Der Text füllte nicht einmal die Hälfte der Seite. Wie merkwürdig, dass etwas so Wichtiges so kurz sein konnte.
Hallo, Frau Khan,
vielen Dank für Ihren Brief. Bitte entschuldigen Sie meine späte Antwort. Wir haben uns in der Redaktion mit den Informationen beschäftigt, die Sie uns gegeben haben, und würden gern mit Ihnen in Kontakt treten.
Am besten wäre ein unverbindliches Treffen, damit wir die Möglichkeit haben, Ihre Geschichte besser einzuschätzen und zu überlegen, wie wir dem Verschwinden Ihres Mannes nachgehen könnten.
Bitte melden Sie sich noch einmal bei mir.
Mit freundlichen Grüßen
Lennart Stridh
Reporter
Redaktion Nachgeforscht
Weiter unten standen eine Adresse und mehrere Telefonnummern, vermutlich die Durchwahlen der Redaktion. Behutsam legte sie den Brief wieder auf den Tisch. Ob sie ihren Söhnen davon erzählen sollte? Besser nicht. Sie war es bereits gewohnt, dass die Hoffnung aufflammte und wieder erlosch, weil sie es in den letzten Jahren schon so oft erlebt hatte. Doch ihre Kinder brauchten Schutz. Es war schmerzlich genug für sie, ohne den Vater aufzuwachsen. Dennoch war sie unsicher. Würde sie das tatsächlich allein bewältigen können? Sie las den Brief erneut, als könnte er ihr die Frage beantworten, aber er warf nur noch mehr Fragen auf. Was bedeutete «unverbindlich»? War es nur eine Floskel dafür, keine Verantwortung übernehmen zu wollen? Wie wollte die Redaktion ihre Geschichte beurteilen? Sie war wahr, aber würde das reichen? Sollte sie sich wirklich allein mit diesem Mann treffen?
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