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Die Toten, die niemand vermisst: Ein Fall für Sebastian Bergman (German Edition)

Die Toten, die niemand vermisst: Ein Fall für Sebastian Bergman (German Edition)

Titel: Die Toten, die niemand vermisst: Ein Fall für Sebastian Bergman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Hjorth , Hans Rosenfeldt
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Joseph war in Ägypten, und Rafi konnte ihn nicht erreichen.
    Einige Wochen zuvor war Joseph wieder im Laden aufgetaucht. Er hatte seine Zinsen zurückgefordert, nun, da sie sich nicht länger hinter Said verstecken konnten.
    Rafi überredete seinen Bruder dazu, das Geschäft zu verkaufen. Joseph und den anderen das Geld zurückzuzahlen. Saids Anteil Melika zu geben. Sie hatten keine Beweise, doch sie wurden den Gedanken, dass Joseph in irgendeiner Weise mit Saids Verschwinden zu tun hatte, nicht mehr los. Sie wussten es nicht. Aber sie glaubten es. Vor allem Rafi fühlte sich schuldig. Immerhin hatte er den Kredit aufgenommen und das Geld gestohlen. Vielleicht wäre andernfalls nie etwas passiert. Dieses Gefühl brachte ihn fast um. Er wollte Melika nicht mehr treffen und auch seinen Bruder nicht. Er zog nach Malmö. Irgendwann zog ihm der Bruder hinterher. Anschließend habe Melika keinen von ihnen jemals wiedergesehen, sagte sie.
    Mehran verstand nicht, warum sie nichts erzählt hatten. Er hatte sie gefragt. Wie konnten sie das alles einfach beiseiteschieben? Ohne die Wahrheit herauszufinden. Es ging um ihren Mann. Den Vater ihres Kindes. Und seinen Vater.
    Es war schwer zu erklären und gleichzeitig doch sehr einfach: Sie wagten es nicht. Und sie wussten es nicht besser. Nachdem sie einmal begonnen hatten zu schweigen, war es einfacher, dabei zu bleiben.
    So hatte Melikas Leben ausgesehen, nachdem Said verschwunden war. Erst hatte sie Angst davor gehabt, dass es tatsächlich so war. Hatte Angst vor Joseph gehabt. Dann hatte sie Angst gehabt, dass Shibeka und die anderen es erfahren könnten.
    Angst hatte ihre gesamte Existenz bestimmt.
    Mehran hatte zuerst geglaubt, dass er sie von jetzt an hassen würde. Aber er konnte es nicht. Wenn er und Shibeka bisher in Ungewissheit gelebt hatten, so hatten sie doch wenigstens nicht in Angst gelebt. Eigentlich tat Melika ihm leid.
    Aber er hatte sie gezwungen, ihm die Adresse zu geben. Er hatte keine Angst. Er wollte es verstehen. Für Shibeka. Er hatte ihr nichts davon gesagt. Sie hätte ihn niemals dorthin gehen lassen. Sie würde sich nur Sorgen machen. Also hatte er einfach so getan, als würde er wie immer in die Schule gehen.
    Jetzt war er in der Härjedalsgatan. Sie sah ziemlich gewöhnlich aus. Rote Häuser, niedriger als in Rinkeby. Drei Stockwerke hoch. Älter, aber in besserem Zustand. Eine große Rasenfläche lag wie ein Feld vor dem L-förmigen Gebäude. Die Hausnummer 44 befand sich am langen Ende dieses Ls. Er sah sich um und blickte noch einmal auf den Zettel, den er von Melika bekommen hatte. Nummer 44, es stimmte. Ein älteres Paar spazierte ein Stück entfernt auf dem Bürgersteig entlang. Davon abgesehen war die Gegend menschenleer. Er begann, sich in der Stille zu bewegen.
    Er musste nur wissen, ob Joseph da war. Er wollte ihm nur erzählen, dass er Hamids Sohn war und sehen, wie er reagierte. Das war alles. Wenn er überhaupt noch dort wohnte.
    Langsam ging er auf den Hauseingang zu. Es war nicht so leicht, wie er gedacht hatte. Je näher er kam, desto schwerer wurden seine Schritte. Nach einer Weile musste er sich zwingen. Er schwitzte, obwohl es kalt war. Aber er konnte nicht den ganzen Weg bis hierher fahren, ohne hinaufzugehen. Er hatte sich selbst versprochen, vorsichtig zu sein. Aber er war Hamids Sohn. Vor langer Zeit war sein Vater einmal durch diese Tür gegangen und hatte Joseph besucht. Jetzt war er an der Reihe.
    An der Tür gab es keine Code-Anlage, und er schlüpfte leise in das dunkle Treppenhaus. Schaltete das Licht nicht ein. Sah auf die Namenstafel neben der Tür. Es gab einen M. Al Baasim. Der einzige Name, der dem nahekam, an was sich Melika erinnert hatte, und er stieg vorsichtig die Treppen zum ersten Stock hinauf und blieb vor der Tür stehen. Er versuchte, Hamid vor sich zu sehen. Wie sein Vater hier gestanden hatte, gemeinsam mit seinem Freund Said. Wie er geklingelt und den Mann dort drinnen gezwungen hatte, ihnen das Geld zurückzugeben, das Rafi gestohlen hatte. Er überlegte, wie es wohl vor sich gegangen war. War sein Vater der Stärkere gewesen? Oder war er nur als Unterstützung mitgekommen? Mehran bestimmte für sich, dass Hamid der Stärkere gewesen war.
    Genau wie er selbst. Er trat in dessen Fußstapfen.
    Ein untersetzter und etwas unrasierter Mann öffnete die Tür.
    «Was willst du?», fragte er.
    Mehran erkannte die Stimme nicht wieder. Er war sich bei vielem, was Joseph betraf, unsicher. Aber diese knarrende

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