Die Toten, die niemand vermisst: Ein Fall für Sebastian Bergman (German Edition)
nicht nicken.
Der Gedanke kam ihr wie aus dem Nichts. Ließ ihr den Atem stocken. Es gab absolut keinen Grund, überhaupt so zu denken. Sie musste wirklich verrückt sein.
Aber die Ereignisse der letzten Zeit …
Das war gar nicht gut. Valdemar, Trolle, Ellinor und das FBI. Alle hatten einen gemeinsamen Nenner.
Sebastian Bergman.
Aber warum? Was für einen Grund konnte es dafür geben? Keinen. Es war absurd, aber die Idee hatte in ihr Wurzeln geschlagen. Sebastians Erklärung, warum Trolle ausgerechnet ihm das Material gegeben hatte, war nicht hundertprozentig überzeugend gewesen. Und jetzt dieses konspirative Nicken. Vanja ging rückwärts wieder aus der Kantine hinaus, nach links, und noch einmal nach links. Im Aufzug drückte sie die Sechs.
Vanja öffnete die Tür zu den Büros im sechsten Stock und betrat den Flur. Sie sah sich um. Das ganze Stockwerk wirkte verlassen, mittagspausenstill. Vanja ging den Korridor entlang. Das erste Büro war leer. Sie hörte, wie die Tür, durch die sie gerade gekommen war, geöffnet wurde und drehte sich um. Eine Frau mit einem dunklen Pagenkopf und braunen Augen kam mit einer Plastiktüte mit Essen auf sie zu.
«Hallo, kann ich Ihnen helfen?», fragte sie und ging zu der kleinen Küchenecke neben der Tür. Vanja folgte ihr und stellte sich neben sie. Jetzt stand die Dunkelhaarige vor der Arbeitsplatte und packte ihr Essen aus.
«Ja, vielleicht … Ich heiße Vanja und arbeite bei der Reichsmordkommission.»
«Aha?»
«Das mag jetzt komisch klingen, aber ich habe einen Kollegen namens Sebastian …»
«Bergman?», fragte die Frau und drehte sich lächelnd zu ihr um.
«Ja, genau. Kennen Sie ihn?»
«Ja.»
Die kurze Antwort wurde von einem Grinsen begleitet, das verriet, dass sie miteinander im Bett gewesen waren. Sie konnte sich einen Seufzer nicht verkneifen.
«Er war letzten Donnerstag hier», fuhr die Frau fort und stellte ihr Essen in die Mikrowelle im Regal. Vanja erstarrte. Eigentlich war sie hier, um sich auf irgendeine Weise bestätigen zu lassen, dass ihr Verdacht gegen Sebastian absurd war. Sie war hergekommen, um ihn endgültig zu widerlegen.
«Hier?», stammelte sie.
«Ja, um Håkan zu treffen», sagte die Frau über ihre Schulter hinweg, stellte die Mikrowelle auf eine Minute und fünfundvierzig Sekunden und schlug die Tür zu.
Chaos. Mit einem anderen Wort ließ sich nicht beschreiben, was gerade in Vanjas Kopf ausgebrochen war. Ihr Handy klingelte. Sie blickte auf das Display. Anna. Das hatte ihr gerade noch gefehlt. Sie drückte das Gespräch weg. Die Dunkelhaarige lehnte sich gegen die Arbeitsfläche und sah aus, als erwartete sie eine Fortsetzung des Gesprächs, aber Vanja war zu sehr mit ihren Gedanken beschäftigt. Sie wusste nicht einmal, wo sie anfangen sollte, um sie zu sortieren. Aus irgendeinem Grund dachte sie zuerst an ihren Besuch bei Sebastian. Das Essen. Die Übernachtung. Es war der Abend, an dem er endgültig ihr Vertrauen gewonnen hatte. Nicht, um mit ihr ins Bett zu gehen, hatte er gesagt. Aber warum dann? Das Handy klingelte erneut. Schon wieder Anna.
«Ich hab zu tun», fauchte Vanja in den Hörer. «Ist es wichtig?»
Das war es.
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L ennart war direkt zu SVT gefahren und hatte sich ein Auto aus dem Fahrzeugpool geliehen. Er hatte das Gefühl, dass es einen guten Eindruck machen würde, wenn er im Firmenwagen kam. Für den Mann, den er treffen wollte, wäre das wie eine Visitenkarte. Er hatte keinem aus der Redaktion erzählt, was er vorhatte. Das wollte er nicht. Er musste dieser neuen Spur erst nachgehen und sehen, ob etwas dabei herauskam. Erst danach würden Linda und eventuell auch Sture davon erfahren. Wenn sich nichts daraus ergab, brauchte er auch nichts zu erzählen. Dann sparte er sich wenigstens die Demütigung. Momentan beunruhigte ihn aber vor allem die Frage, ob er noch zu viel Restalkohol im Körper hatte. Soweit er wusste, brauchte der Körper zwölf Stunden, um den Alkohol abzubauen, und er hatte sein letztes Bier gegen halb vier oder sogar vier in der Früh getrunken. Er war noch im Risikobereich, also musste er vorsichtig fahren. Schließlich war es nicht das erste Mal.
Vom SVT wegzukommen, dauerte seine Zeit, auf dem Valhallavägen stauten sich die Lastwagen vom Frihamnen, doch sobald er auf den Essingeleden kam, floss der Verkehr Richtung Süden. Dann rief Charles an und schlug vor, dass sie sich ein Stück nördlich von Söderköping treffen sollten. Er sei nicht mehr zu Hause,
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