Die Toten, die niemand vermisst: Ein Fall für Sebastian Bergman (German Edition)
tatsächlich diejenige ist, von der wir ausgehen, dann würde ich es zu schätzen wissen, wenn du dir den Bruder einmal vorknöpfen würdest.»
Torkel ging in sein Büro, setzte sich hinter den Schreibtisch und griff nach dem Telefonhörer. Er fand die Namen der Kollegen in Oskarshamn im Computer und rief bei der Zentrale an. Sie verbanden ihn mit dem Vorgesetzten, der wusste, wer die DNA-Probe genommen hatte, aber der betreffende Beamte war gerade nicht im Büro. Torkel erhielt eine Handynummer, legte auf, wählte die andere Nummer und wartete.
«Jörgen», meldete sich schließlich ein Mann, und Torkel erklärte, wer er war und warum er anrief. Er erfuhr, dass Jörgen auftragsgemäß Ende letzter Woche zu Charles Cederkvist gefahren sei, ihm erklärt hatte, was er wolle, hereingebeten worden sei und von Charles einen Kaffee angeboten bekommen habe.
Während er lauschte, kam Ursula in sein Büro. Torkel bedeutete ihr mit einem Wink, dass sie sich hinsetzen sollte, und stellte den Lautsprecher an. Immerhin war das ihr Gebiet.
«Und Sie haben die DNA-Probe selbst genommen?», fragte er, obwohl die Antwort selbstverständlich sein sollte. Schließlich war genau das Jörgens Aufgabe gewesen.
«Ja, oder besser gesagt, er nahm sie selbst.»
Torkel blickte zu Ursula hinüber, die ihn misstrauisch ansah.
«Aber Sie haben gesehen, wie er es tat?»
«Nein, nicht direkt, er ist hinausgegangen, um sie zu nehmen.»
Torkel spürte, wie ihn eine gewisse Müdigkeit überkam. Er glaubte zu wissen, wie es sich zugetragen hatte, musste jedoch sichergehen.
«Und wo waren Sie zu diesem Zeitpunkt?»
«Ich saß in der Küche und habe Kaffee getrunken.»
Ursula seufzte lauthals, lehnte sich zurück und hatte einen weiteren Beweis für ihre These, dass die Kompetenz der Polizei rapide sank, je weiter man sich von Kungsholmen entfernte. Oskarshamn lag offenbar ausreichend entfernt, um auf das Niveau von Kling und Klang zu fallen.
«War denn noch jemand im Haus, als Sie dort waren?»
«Seine Lebensgefährtin, aber die schlief gerade. Sie hatte Nachtschicht gehabt.»
«Wäre es denkbar, dass er ins Schlafzimmer gegangen ist?»
«Ja, das wäre schon denkbar, ich habe nicht gesehen, wohin er gegangen ist.»
«Wäre es denkbar, dass er eine Speichelprobe von seiner Lebensgefährtin genommen hat und nicht seine eigene?»
Am anderen Ende der Leitung wurde es still. Torkel dankte für die Auskunft und legte auf.
«Hat das SKL nicht kontrolliert, ob die Probe von einem Mann oder einer Frau kam?», fragte er Ursula, während er die nächste Nummer wählte.
«Das tun sie nicht, wenn wir sie nur darum bitten, sie mit einer anderen Probe zu vergleichen», antwortete Ursula und zuckte mit den Achseln, als wollte sie sich für die Kollegen entschuldigen.
«Aber auf der Probe, die sie bekamen, stand doch Charles», bohrte Torkel weiter. «Hätten sie da nicht reagieren müssen?»
«Es ist nicht sicher, ob der Techniker den Namen überhaupt gesehen hat. Er sollte ja nur eine mögliche Verwandtschaft feststellen.»
Jetzt hatte Torkel jemanden am Apparat. Wieder bei der Polizei in Oskarshamn. Er bat darum, erneut den Vorgesetzten sprechen zu können, mit dem er schon einmal telefoniert hatte. Sie sollten Charles Cederkvist aufs Präsidium holen.
Während er wartete, sah er Ursula an, sagte jedoch nichts.
Das alles gefiel ihm nicht.
Wenn es sich bei einem der Skelette tatsächlich um Adam Cederkvist handelte, hatte jemand einiges getan, um eine Weltumseglung zu inszenieren. Hinzu käme ein Mann, der beim Militärischen Abschirmdienst arbeitete und seine DNA-Probe manipulierte, außerdem hatten sie eine tote Frau mit zwei falschen Identitäten, die mit größter Wahrscheinlichkeit vier Menschen auf sehr professionelle Weise liquidiert hatte, von denen einer wiederum beim Nachrichtendienst arbeitete.
Das war zu groß.
Größer als ein Massenmord.
Es gefiel Torkel ganz und gar nicht.
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N achdem Charles dem Mann vom Fernsehen eine Wegbeschreibung gegeben und aufgelegt hatte, blieb er eine Weile in seinem Wohnzimmer stehen. Jetzt kamen sie plötzlich aus allen Richtungen. Umzingelten ihn, versuchten, ihn in die Ecke zu drängen. Er musste sich darum kümmern. Genau wie er sich um alles andere gekümmert hatte. So musste er einfach weiter vorgehen, rational und methodisch. Für einen Moment hatte er sich den Luxus gegönnt, an seinen Bruder zu denken, an die Kinder, aber die Gefühle waren ihm nur im Weg. Sie
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