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Die toten Frauen von Juárez

Die toten Frauen von Juárez

Titel: Die toten Frauen von Juárez Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sam Hawken
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wandte Kelly ein.
    Ortíz ignorierte Kelly, als hätte er kein Wort gesagt. »Du dummer
Wichser.
Du kommst
mir
mit Respekt? Das ist
mein
Land,
pendejo,
das ist
meine
Stadt. Willst du mir mit deinem weißen Blödsinn kommen? Geht es darum?«
    »Ich hab’s kapiert«, sagte Kelly. »Okay? Lecken Sie mich. Ich brauche nichts von Ihnen.«
    Er verließ die Bar. Ortíz blieb dicht hinter ihm. »Lass mich bloß nicht so stehen,
cabrón
! Ohne mich bist du in Juárez gar nichts! Glaubst du, Urvano kann richtige Boxkämpfe für dich organisieren? Die kriegen alles raus, wo du gewesen bist, was du getan hast.«
    »Sie wissen nicht, was ich getan habe.«
    »Verdammter
bolillo

    Kelly ließ den Barbereich endgültig hinter sich, er sah den Ausgang und lief schneller. Einer der großen Männer aus dem Pick-up baute sich vor ihm auf. Der Mann trug immer noch die Gargoyle-Sonnenbrille. Er war groß und breit und unter dem schwarzen T-Shirt hart wie Beton. Eine blau-rote Tätowierung von
La Virgen de Guadalupe
zierte seinen Unterarm. »Aus dem Weg«, sagte Kelly zu ihm.
    Der große Mann bewegte sich nicht. Ortíz holte Kelly ein. »Lass ihn gehen«, sagte er zu dem Mann. »Er kann
zu Fuß
zu seinem Dreckloch von einer Bude zurück. Ich hätte Lalo deinen weißen Arsch einfach überfahren lassen sollen.«
    Genug.
Kelly wirbelte zu Ortíz herum, der kleinere Mann wich zurück. Die Flasche hielt er immer noch in der Hand, aber jetzt am Hals, wie eine Waffe. »Gottverdammt, Sie dreckiges kleines Aas«, sagte Kelly. »Suchen Sie Streit mit mir? Mir ist scheißegal, wie viele Schläger Sie um sich haben, ich reiße Ihnen den Arsch auf!«
    Kelly spürte, wie sich Lalo hinter ihm in Bewegung setzte. Ortíz hob eine Hand. »Nein«, sagte er.
    »Suchen Sie sich einen anderen, der für Sie blutet«, sagte Kelly zu Ortíz. »Ich bin raus.«
    Er verließ die Arena und trat hinaus ins heiße, klare Sonnenlicht. Er schritt um den großen Pick-up herum und stapfte die staubige Straße entlang. Ortíz folgte ihm nicht, auch nicht Lalo oder einer der anderen Männer aus dem Wagen. Kelly war allein.

Zweiter Teil
SOSPECHOSO

EINS
    Am Tag danach stand er nicht auf, um zu laufen, sondern schlief lange. Er nahm ein herzhaftes Frühstück zu sich und ging danach trotzdem noch in eine
taquería,
um sich etwas Fettiges zu holen. Dort aß er, bis er ein ungutes Gefühl im Magen hatte, und er war noch keine halbe Meile weit gekommen, da kotzte er sich neben einem Gebäude die Seele aus dem Leib. Danach schlenderte er ziellos herum, da er nicht wusste, wohin er gehen oder was er machen sollte. Ihm gefiel nicht, was er empfand: Wut, Traurigkeit und Hilflosigkeit zu gleichen Teilen.
    Er überlegte sich, ob er Paloma anrufen sollte, ließ es aber bleiben. Und er schenkte sich den Ausflug in Urvanos Sporthalle. Ein Teil von ihm fand, er müsste noch härter trainieren und etwas beweisen, doch ein anderer Teil drängte ihn, sich einfach treiben zu lassen. Er kaufte sich eine Literflasche billiges Bier, setzte sich an den Rand einer Überführung und sah den Bussen nach. Als er die Flasche leer hatte, warf er sie über den Rand eines betonierten Grabens und lächelte, als er das Glas zerschellen hörte.
    So schlug er die Zeit tot, bis lange nach Mittag. Als er in sein Apartment zurückkehrte, fühlte er sich plötzlich müde und machte ein fast dreistündiges Nickerchen. Er hörte laute Stimmen draußen, ein Mann und eine Frau, die unüberhörbar unter dem offenen Fenster stritten, aber sie weckten ihn nicht wirklich; stattdessen träumte er, dass er mit Paloma stritt, bis sie ihn einfach stehen ließ und ging.
    Kelly erwachte schwitzend und roch nach Bier. Er duschte und zog frische Kleidung an, doch dann blieb er einfach vor dem ausgeschalteten Fernseher im Wohnzimmer sitzen. »Leck mich«, sagte er ins Leere, meinte aber vermutlich Ortíz. Er zeigte dem Fernseher den Mittelfinger.
    Der Rückweg von der
palenque
war lang gewesen, obwohl er ein Stück mit dem Bus hatte fahren können, und Kelly merkte plötzlich, wie sehr seine Füße schmerzten. Er holte Aspirin aus dem Bad, zerkaute zwei Tabletten und wartete eine halbe Stunde, bis die Wirkung einsetzte. Er zwangsich, noch eine Stunde auszuruhen, denn er wusste, dass er nicht zur Tür hinausgehen und ausführen sollte, was er im Sinn hatte.
     
    Er kehrte zu der kleinen
norteño -Bar
zurück, wo er die Frau mit den makellosen weißen Zähnen in der kleinen Ecke unter der Weihnachtsbeleuchtung sitzen sah.

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