Die toten Frauen von Juárez
Mädchen.«
»Ich habe ein Mädchen.«
»Ja, du hast eine männerfressende
puta
«, sagte Ortíz. Er verzog das Gesicht. »Manche Leute glauben, dass in Wahrheit
sie
die Hosen anhat, weißt du?«
Kelly schob die Limetten heftig von sich. »Sprechen Sie nicht so über Paloma.«
»Ist nichts Persönliches.«
»Okay, dann reden wir über das Geschäft. Ich möchte boxen. Richtige Boxkämpfe.«
»Mache ich nicht.«
»Sie können etwas organisieren.«
»Wie? Niemand unterstützt dich, Kelly.«
»Sie schon.«
»Sicher, sicher. Ich meine, wer hat dir denn die ganzen Kämpfe vermittelt, als du nach Juárez gekommen bist? Ich. Ich habe auf dich achtgegeben, dir Auftritte im Ring verschafft.«
»Ich weiß. Darum wollte ich ja mit Ihnen reden.«
»Wegen eines richtigen Kampfes.«
»Das habe ich gesagt.«
Ortíz trank das Bier leer und winkte dem Barkeeper, dass er ein neues bringen sollte. »Du bist zuverlässig, Kelly. Mir ist gleich, was früher gewesen ist. Heute ist heute.«
Kelly holte tief Luft. Er fühlte sich schwindelig, doch das konnte nicht nur an dem Bier liegen. »Ich würde gern in einige offiziell genehmigte Kämpfe kommen. Ich muss nicht unter meinem Namen boxen. Wir können uns was überlegen, mich unter dem Radar reinbringen. KleinereKämpfe, vier Runden, für den Anfang. Mir ist gleich, gegen wen Sie mich antreten lassen.«
Ortíz’ Bier kam. Er wandte sich von Kelly ab und drehte die kalte Flasche zwischen den Händen. Seine Miene war nachdenklich. »Ich bin nicht sicher, was du von mir verlangst, Kelly.«
»Wir sprechen von einem richtigen Kampf.«
»Und ich sage dir, so was habe ich nicht für dich. Ich habe was Besseres.«
»Ich kämpfe nicht mit bloßen Fäusten«, sagte Kelly. »Ein
richtiger Kampf,
okay?«
»Was glaubst du, wovon ich rede, Kelly? Ich rede von richtigen Kämpfen ohne die ganzen Handschuhe und die ganzen
huevadas.
Du brauchst kein Formular von irgendeinem
burócrata.
«
Kelly überlegte, ob er noch ein Bier trinken sollte, hatte aber die Lust verloren. »Nein, ich sage Ihnen, das ist nicht mein Ding. So ein Kämpfer bin ich nicht. Ich will
boxen.
Nicht, dass ich nicht zu schätzen weiß, was Sie für mich getan haben. Ich meine … darum wende ich mich ja jetzt an Sie. Ich weiß, Sie können mich auf legalem Weg in den Ring bringen.«
Die Bar war inzwischen so gut wie menschenleer. Der Barkeeper nahm Kellys Flasche. Ortíz schwieg eine ganze Weile. Ein weiterer Hahnenkampf begann, die Zuschauer johlten.
»Ich will wieder nach oben«, sagte Kelly schließlich.
Ortíz schüttelte langsam den Kopf. Er lächelte verhalten, trank einen Schluck und lachte dann lauthals los. »Ich habe keine Ahnung, was du da redest, Kelly. Du siehst ganz normal aus; hast du einen Schlag auf den Kopf bekommen? Vielleicht ist das der Grund.«
»Ich sage doch nur …«
Ortíz winkte, dass Kelly schweigen sollte. »Ich weiß, was du sagst.«
»Und …«
»Kapierst du es nicht? Niemand will einen abgehalfterten
bolillo
mit anständigen Boxern im Ring sehen. Du wirst dafür bezahlt, dass du
blutest.
Du bist kein ernsthafter Bewerber. Das
ist
es, okay? Kein Mensch in Juárez außer mir würde sich mit einem Scheißgringo und Junkie abgeben.«
»Ich bin kein Junkie.«
»Wie du meinst, Kelly. Glaubst du, ich weiß nicht, was deine Narben zu bedeuten haben? Hm?«
Kelly verschränkte unbewusst die Arme. Er zwang sich, langsam ein- und auszuatmen.
Ortíz fuhr fort. »Ich habe dir immer so viel gegeben, wie du kriegen konntest. Mehr bekommst du nicht.«
»Ich kann aber mehr«, entgegnete Kelly.
»Wer sagt das? Redet dir der verdammte Urvano diesen Blödsinn ein? Der
puto
weiß nichts, was ich nicht auch wüsste, Kelly. Wo war er denn, als du damals boxen wolltest? Hm?
Hm?
Sag es mir!«
Kelly wollte wütend werden. Ortíz kam auf ihn zu und fuchtelte dabei mit den Händen. Er verschüttete sein Bier. Die wenigen Männer in der Nähe der Bar verkrümelten sich hastig. »Ich bin clean und meine es ernst«, sagte Kelly. »Ich weiß, dass Sie mich immer gut behandelt haben. Wir haben Respekt voreinander.«
»
Respekt?
Wenn du Respekt vor mir hast, dann tust du mir nach allem, was ich für dich getan habe, auch einmal einen Gefallen,
naco.
Was meinst du, woher ich das Geld habe, um dich zu bezahlen? Glaubst du, ich bin irgendein Arschloch, das du über den Tisch ziehen kannst wie die hirnlosen
turistas,
denen du und dieser
zurramato
Estéban Stoff vertickt?«
»Das hat nichts damit zu tun«,
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