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Die toten Frauen von Juárez

Die toten Frauen von Juárez

Titel: Die toten Frauen von Juárez Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sam Hawken
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blieb. Sevilla saß in seinem dunklen Auto, hatte den Johnny Walker zwischen die Beine geklemmt und trank direkt aus der Flasche, wenn er den Wunsch verspürte. Heute war es Red Label, weil er sich Black Label nicht leisten konnte. Der Geschmack war akzeptabel, das Endergebnis dasselbe.
    Sevilla trank nicht im Haus, weil seine Frau es verboten hatte. Man rauchte und trank
anderswo,
nicht einmal in dem winzigen Garten hinter dem Haus, wo Sevilla mit ausgestreckten Fingerspitzen beide Mauern berühren konnte. Liliana missgönnte niemandem seine Laster, nicht einmal ihrem Ehemann, aber sie zog die Grenze am Hoftor des Grundstücks.
    Es war an der Zeit, zu rauchen. Sevilla kurbelte das Fenster herunter und zündete eine Zigarette an. Die Asche schnippte er auf die Straße. Wenn Sevilla betrunken war, faszinierten ihn die wechselnden Muster des brennenden Tabaks am Ende eines Glimmstängels. Längst hatte er auf behagliche Weise jedes Gefühl in den Beinen verloren, als würde sein Körper unabhängig vom Geist einschlafen. Er ließ den Kopf an die Sitzlehne sinken.Die Augen fielen ihm zu, und er vergaß die Zigarette, bis die Glut ihm die Finger verbrannte.
    Sevilla warf die Kippe zum Fenster hinaus. Lichter gingen an, er hörte Musik und Stimmen. Sein Haus blieb schwarz und stumm. Eine junge Frau in der Uniform einer
maquiladora
ging die rissige Straße entlang, und Sevilla verspürte einen Stich im Herzen. Ein Schluck aus der Flasche Johnny Walker rückte alles wieder in ein angenehmeres Licht.
    Er beobachtete die Frau im Rückspiegel, bis sie um eine Ecke verschwand. Niemand behelligte sie oder sprach sie auch nur an. Sevilla fragte sich, wo sie lebte; er konnte sich nicht erinnern, dass sie ihm schon einmal aufgefallen wäre. Das war das Problem mit Juárez: Die Gesichter wechselten andauernd.
    Es machte ihm keinen Spaß mehr, nur herumzusitzen. Sevilla ließ den letzten Rest von Señor Walker auf dem Grund der Flasche kreisen und schüttete ihn dann zum offenen Fenster hinaus. Er stieg bedächtig aus und schloss die Tür ab. Kein Dieb machte sich an Sevillas Auto zu schaffen; selbst Teenager auf Spritztour durch das Viertel wussten, dass es sich hier um das Haus eines Polizisten handelte. Kritzeleien verunzierten die Gartenmauern und selbst die Mülltonnen seiner Nachbarn, doch nicht die von Sevilla. Neben seiner Marke und der Waffe war auch das ein Privileg.
    Behutsam öffnete er das quietschende Tor, obwohl niemand zu Hause war. An der Haustür suchte er im Dunkeln nach den Schlüsseln und bekam dabei einen Hauch seines eigenen Geruchs ab; er stank nach Alkohol, Schweiß und abgestandenem Rauch. Als er aufgeschlossen hatte, betrat er das stille, schattige Innere.
    »Hola«,
rief Sevilla leise und schloss die Tür hinter sich. Er sperrte beide Schlösser ab und legte die Kette vor, obwohl es unnötig war. Eine Stehlampe am Eingang, die er einschaltete, hüllte das Wohnzimmer in trübes gelbes Licht. Sevilla legte die Schlüssel in eine Schale neben der Tür und stellte fest, dass er die leere Flasche Johnny Walker immer noch in der Hand hielt. Beschämt steckte er sie in die Jackentasche.
    Das Mobiliar war einfach, schlicht und gemütlich. Liliana hatte allesmit selbstgenähten Überwurfdecken und Kissen geschmückt, und ein großes Gemälde, das Jesus Christus darstellte, beherrschte eine Wand. Christus zeigte auf sein Herz. Sevilla berührte selbst unbewusst die Brust, als er daran vorbeiging.
    Eine andere Wand blieb alten und neuen Familienfotos vorbehalten. Schwarz-Weiß-Aufnahmen, Rahmen an Rahmen, dazwischen ein Farbfoto, aufgenommen bei strahlendem Sonnenschein, zeigte Sevilla und Liliana an ihrem Hochzeitstag. Sevilla hatte sich den besten Anzug seines Onkels ausgeliehen, Liliana das Hochzeitskleid ihrer Mutter. Sie standen im Freien, doch obwohl auf dem Foto die Sonne schien, hatte es später geregnet, und die Feier hatte nach drinnen verlegt werden müssen.
    Sevilla entsorgte die leere Whiskyflasche in der Küche und legte ein paar Zeitungsfetzen darauf. Der klobige Kühlschrank mit den abgerundeten Kanten war noch der, den er und Liliana von ihrem Hochzeitsgeld gekauft hatten. Das Gefrierfach musste manuell abgetaut werden, aber noch kühlte er die Lebensmittel. Sevilla nahm eine Flasche Jarritos und spülte den Nachgeschmack von Señor Walker hinunter.
    Das Haus hatte zwei Schlafzimmer. In dem kurzen Flur, der das Haus in zwei Hälften teilte, hingen noch mehr Familienfotos. Überwiegend zeigten sie

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