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Die Toten im Schnee: Kriminalroman (German Edition)

Die Toten im Schnee: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Die Toten im Schnee: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giuliano Pasini
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hätte dir dein Vater Gino dafür gegeben, wenn er noch am Leben wäre und gehört hätte, was du gesagt hast.«

9
    L angsam tauchen sie in den eiskalten Nebel ein, der vom Licht der Straßenlaternen gelb gefärbt wird. Roberto zieht seinen Mantel aus und legt ihn Alice um die Schultern, die sich bedankt und ihn anlächelt. Case Rosse schläft. Das einzige Geräusch ist das ihrer Absätze auf dem Pflaster.
    Sie umrunden die Piazza einmal, langsam und schweigend, bevor sie am Celica ankommen. Sie gibt Roberto den Mantel zurück, holt den Schlüssel heraus und schickt sich an, ihn ins Schloss zu stecken. Plötzlich hält sie inne und blickt ihm direkt in die Augen.
    »Gibt es im Kommissariat ein Gästezimmer? Ich hab ungefähr ein Dutzend Grappa zu viel getrunken. Es wäre nicht klug, jetzt zu fahren. Und dann bei dem Nebel …« Sie sagt es mit Nachdruck, der all die vielen kleinen zweifelnden Stimmchen zum Schweigen bringt.
    Robertos Lippen brennen vor Kälte. Er weiß, dass Alice bei so gut wie jedem Wetter fahren kann. Und den Grappa spürt sie zweifellos wesentlich weniger als er. »Es ist kein Zimmer vorbereitet«, stammelt er.
    »Schade«, antwortet sie spitz und zieht die Tür auf.
    Eine Sekunde, um zu entscheiden. Ein Balanceakt auf einem Seil, darunter gähnende Leere. »Wir bringen dich schon irgendwie unter«, sagt er in einem Atemzug, während sein Herz einen Schlag aussetzt. Die Aussicht, sie nicht mehr ansehen zu können, nicht mehr mit ihr zu sprechen, sie nicht mehr zu hören, ihre Wärme nicht mehr zu spüren, ist unerträglich. »Ich kann dir mein Bett geben.«
    Sie hakt sich bei ihm unter, ein Blick, der unmöglich zu entziffern ist. »Also, dann gehen wir, oder ich muss einen riesigen Eiszapfen mitschleppen.«
    In der feuchten Eingangshalle des Kommissariats bewegen sie sich nur auf Zehenspitzen und senken die Stimme bis zu einem Flüstern. Sie versuchen, das Lachen zu unterdrücken, sie benehmen sich wie Teenager, die sich vor den Eltern verstecken.
    Zum ersten Mal öffnet Roberto die Tür zu seinem Zufluchtsort für eine Frau. Sofort fühlt er sich beschämt. Ich habe nie wahrgenommen, dass es so trostlos aussieht. Alice hingegen benimmt sich wie ein Mädchen auf Reisen. Sie ist ständig in Bewegung, berührt die Gegenstände, betrachtet die mit CD s bedeckten Wände, die Platten und Kassetten, die Stereoanlage, die in einer Ecke thront, das schlichte Bett und den kleinen Schreibtisch mit dem Stuhl davor, den zweiflügeligen Schrank.
    »Genauso hab ich es mir vorgestellt«, flüstert sie. In zwei Sprüngen steht sie vor dem Bett. Sie setzt sich darauf. »Fühlt sich bequem an.« Sie will gerade aufstehen, da fällt ihr ein Gegenstand auf, der ihr aus der Tasche gerutscht ist. Sie versetzt sich einen leichten Schlag vor die Stirn.
    »Jetzt hätte ich das doch glatt vergessen! Ich hab was, das dir gehört«, sagt sie. Sie tut so, als würde sie einen Stein mit der Zwille abschießen.
    Roberto kann es nicht fassen. »Du hast der Kriminaltechnik ein Beweisstück vorenthalten!«
    Alice wiegelt ab: »Serna … dieser Typ, diese Bohnenstange, der hätte doch eh nicht gewusst, was er damit anfangen soll.« Sie legt die Zwille auf den Schreibtisch und bleibt stehen, um sie zu betrachten. »Sieht aus wie ein Ypsilon.«
    Roberto kommt es vor, als würde ihm ein Tropfen Eiswasser den Rücken hinabrinnen.
    Sie springt auf. »Diese Partisanengruppe von Francesco Ferri, hieß die nicht Brigade Ypsilon? Du hast es am Tisch gesagt, vor einem halben Liter Grappa.«
    Und wenn dieses kleine Stück Holz tatsächlich etwas zu erzählen hätte? Roberto nimmt es in die Hand, als könnte es mit ihm sprechen. Konzentriert, wie er ist, bemerkt er nicht, wie sie aufsteht und willkürlich auf den Tasten der Stereoanlage herumdrückt. Bevor er einschreiten kann, gelingt es ihr, sie einzuschalten.
    »Und jetzt, wo ich tausend Dinge zu tun hätte, merke ich, wie meine Träume sich auflösen, aber ich kann nichts anderes tun, als an dich zu denken …«
    Luigi Tenco. Roberto hat diese Platte schon so oft gehört, dass die Tonspur ausgeleiert ist. Ich hab mich in dich verliebt , es war ihr Lied. Das Lied, das sie zusammen gehört haben, im Bett. Sie haben es auch getrennt voneinander gehört, überzeugt, vom anderen vergessen worden zu sein. Und jetzt hier, wieder zusammen.
    Die Stimmung im Zimmer verändert sich. Alice verändert sich. Sie hat sich entschieden. Sie will nicht mehr im Ungewissen bleiben. Sie muss wissen, was

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