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Die toten Mädchen von Villette

Die toten Mädchen von Villette

Titel: Die toten Mädchen von Villette Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ingrid Hedström
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Unter dem Talar trug sie ein weißes Leinenkostüm mit einem roten Schal, der zu ihren roten Stilettopumps paßte. Keine Strähne lag falsch in ihren weißblonden Haaren.
    – Hallo, Brigitte, sagte Martine, ich finde es auch immer wieder nett, dich zu sehen. Es würde die Sache vielleicht erleichtern, wenn du mir sagen könntest, von welchem deiner Klienten du sprichst?
    Martine und Brigitte Onckelinx, verheiratete Bougard, hatten früher als assistierende Juristen im selben Anwaltsbüro gearbeitet und einander immer von Herzen verabscheut. Inzwischen war Brigitte Anwältin für Strafsachen und Teilhaberin der ahnenreichen Anwaltskanzlei Bougard & Fils.
    Ihr Klient war der neunzehnjährige Sohn eines der höheren Chefs bei Forvil, der festgenommen worden war, nachdem ihn ein siebzehnjähriges Mädchen am Freitagvormittag angezeigt hatte, sie während eines großen, turbulenten Jugendfestes in einer der Direktorenvillen in Forvils Nobelquartier vergewaltigt zu haben. Sie war nach Hausegegangen und hatte geduscht und geweint, bis ihre Freundinnen sie überredet hatten, zur Polizei zu gehen, es gab dennoch deutliche Zeichen dafür, daß sie vergewaltigt worden war, in Form von blauen Flecken an Armen und Oberkörper und Rissen im Unterleib. Martine hatte einen Haftbefehl unterschrieben, weil sie meinte, daß große Gefahr bestand, daß der Verdächtige versuchen würde, die Zeugen, die möglicherweise die Erzählung des Mädchens bestätigen konnten, zu beeinflussen. Die Voruntersuchung lief natürlich auf Sparflamme, weil alle Ressourcen für den Dreifachmord eingesetzt wurden. Aber Martine wollte den Jungen nicht freilassen.
    – Du kannst versuchen, morgen das Gericht zu überzeugen, sagte sie zu Brigitte, da kommt es ja zur Sprache. Aber solange ich entscheide, bleibt er drin.
    Brigitte betrachtete Martine mit abschätzigem Blick.
    – Du bist zu beschäftigt mit dem Dreifachmord, um an solche Bagatellen denken zu können, zum Beispiel, daß ein nicht vorbestrafter Neunzehnjähriger aus skandalös vagen Gründen in Haft ist, sagte sie spitz, aber du wirst wohl bald Zeit haben, dich der kleinen Geschichte wieder zu widmen. Da du offenbar von der Voruntersuchung der Mädchenmorde abgezogen werden sollst.
    Martine wurde völlig kalt. Es war ein Gefühl, als habe jemand eine Schüssel mit Eiswürfeln an ihrem Rückgrat ausgeleert. Sie war davon ausgegangen, daß die Frage zwischen ihr und Deshayes bleiben würde, bis eine Entscheidung getroffen wurde.
    – Was meinst du? sagte sie mit einer Stimme, die nicht ganz fest war.
    – Aber ich bitte dich, sagte Brigitte, ich war gerade im Gericht, da reden alle davon, daß die eine Klägerseite dichvon der Untersuchung wegkriegen will. Du weißt sicher, woher das kommt? Das haben sich natürlich nicht die trauernden Eltern einfallen lassen, es kommt aus dem Rathaus. Jean-Claude war heute vormittag auf dem Rathaus und hat es gehört, er war äußerst empört deinetwegen. Er ist ja aus einem unbegreiflichen Grund so hingerissen von dir.
    Jean-Claude Bougard war ein Onkel von Brigittes Mann und einer der Teilhaber von Bougard & Fils.
    Martine saß schweigend da. Sie wollte Brigitte nicht die Befriedigung verschaffen, sie zu bitten, mehr zu erzählen, hoffte aber dennoch, daß Brigitte verraten würde, was sie wußte. Hoffentlich konnte sie der Möglichkeit, schlechte Nachrichten zu überbringen, nicht widerstehen.
    – Du hast ja am Sonntag in der Öffentlichkeit mit Julie Wastia Kaffee getrunken, sagte Brigitte nach einer Weile, sehr unüberlegt, muß ich sagen, ich bin erstaunt über dich, Martine. Viele haben euch da gesehen, unter anderem jemand, der mit einem hohen Tier im Rathaus verwandt ist und ihn hat klagen hören, daß du nicht bereit warst, Informationen über die Untersuchung mitzuteilen. Diese Person hat die Quittung an sich genommen, als ihr aus dem Café weggegangen wart, und die Serviererin dazu gebracht, eine Bestätigung zu schreiben, daß Julie Wastia für dich bezahlt hat. Dann haben sie eine Anzeige aufgesetzt und sind zu Sabrina Deleuze’ Eltern rausgefahren, damit die sie unterschreiben.
    – Warum nicht die Familie Bertrand? fragte Martine.
    – Die wollten nicht mitmachen, gab Brigitte widerwillig zu, sie haben angeblich gesagt, sie haben Vertrauen zu dir.
    Sie riß die Attachétasche an sich und fegte in einem Geflatter von schwarzem Stoff und einem Geklapper von roten Absätzen aus dem Raum.Tony Deblauwe war wirklich eifrig, dachte Sophie zufrieden.

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