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Die Toten schweigen nicht: Thriller (German Edition)

Die Toten schweigen nicht: Thriller (German Edition)

Titel: Die Toten schweigen nicht: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Cleave
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Gesicht ihres Freundes gestreift hat, wenn sie mitten in der Nacht eng umschlungen dalagen. Ihre Finger sind nichts als Knochen; die eine Hand liegt auf der Brust, die andere neben ihrem Körper. Zwischen ihrer Handfläche und ihrem Oberschenkel bemerke ich einen kleinen Diamantring, der trotz des grellen Lichts in der Leichenhalle nicht funkeln will. Ich schätze, er hat sich gelockert, als ihre Finger verwest sind, und ist ihr beim Sturz von der Ladefläche heruntergerutscht.
    Mit ihrer Kleidung scheint irgendwas nicht zu stimmen; das kurze Kleid ist verdreht, und die Knöpfe an ihrer Bluse sind falsch geknöpft, als hätte sie sich überstürzt angezogen, oder als hätte das jemand anders nach ihrem Tod für sie übernommen. Ich stopfe meine Hand in die Tasche und fange an, mit meinen Schlüsseln herumzuspielen; immer wieder wickele ich sie in mein Taschentuch, während mir tausend Gedanken durch den Kopf schießen.
    Tracey hebt den Kopf und betrachtet mich. »Mensch, alles in Ordnung? Du sieht aus, als hättest du ein Gespenst gesehen.«
    Ich spüre, wie an der Seite meines Körpers Schweiß hinunterläuft. Wir haben hier fast null Grad, und ich schwitze.
    »Im Wasser waren noch mehr Leichen, Tracey«, sage ich und habe Mühe, die Worte hervorzubringen. »Das bedeutet womöglich weitere Mädchen, und wenn dort … Mein Gott, ich hab’s verbockt.«
    »Wovon redest du?«
    »Die Sache vor zwei Jahren. Hätte ich Henry Martins doch nur damals ausgraben lassen, dann hätten wir auch dieses Mädchen gefunden. Dann hätten wir gewusst, dass wir es mit einem Mörder zu tun haben, und ihn geschnappt, bevor er weitere Leute töten kann.«
    Tracey starrt mich an, doch sie hat keine Ahnung, was sie darauf antworten soll. Schließlich kann sie nicht einfach sagen, dass die Welt so nicht funktioniert, denn wir beide wissen, dass das nicht stimmt. Sie sagt auch nicht, dass jedem so ein Fehler hätte passieren können. Oder dass es nicht meine Schuld ist. Nur ihre Schultern sacken ein wenig nach unten, und sie wendet sich ab, außerstande, mir länger in die Augen zu sehen.
    »Scheiße«, flüstert sie, den Blick immer noch zu Boden gerichtet. »Du musst jetzt gehen, Theo.«
    »Komm schon, Tracey, es muss doch …«
    »Ich meine es ernst«, sagt sie und schaut hoch. »Du wolltest wissen, ob Martins im Sarg liegt – schön, jetzt weißt du’s. Ende der Abmachung. Nur weil du hier stehst, ist das noch lange nicht dein Fall. Deine Anwesenheit behindert höchstens die Ermittlungen.«
    »Du kapierst es nicht, oder?«
    »Was? Dass du vor zwei Jahren hättest etwas ändern können? Ich kenne den Fall, und du hast recht. Gut möglich, dass du es verbockt hast und deswegen weitere Mädchen sterben mussten, aber wie viele Menschen sind noch am Leben, weil du den ganzen Abschaum von der Straße geholt hast?«
    »Es geht nicht darum, die Dinge gegeneinander aufzurechnen.«
    »Ich weiß das. Aber du auch? Außerdem weiß ich, dass du jetzt verschwinden musst.«
    »Meinst du, das wäre in ihrem Sinne?«, frage ich und deute mit einem Nicken auf das tote Mädchen. »Meinst du nicht, dass es eher in ihrem Sinne wäre, wenn so viele Leute wie möglich nach der Person suchen, die ihr das angetan hat?«
    »Bitte, Theo, du musst jetzt gehen. Sollte unter den Leichen, die hier reinkommen, die von Martins sein, sag ich dir Bescheid.«
    »Ja. Schön, tu das«, sage ich, während sie mich hinausbegleitet.
    Als wir den Raum verlassen, klingelt ihr Handy. Sie klappt es auf und nimmt den Anruf entgegen. Währenddessen taste ich meine Taschen ab und drehe sie auf links. Mit den Lippen forme ich das Wort »Schlüssel« und deute zurück, Richtung Leichenhalle.
    »Aber beeil dich«, sagt sie, während sie das Handy kurz herunternimmt, so dass die Person am anderen Ende es nicht hören kann.
    Ich haste zurück in die Leichenhalle. Während ich das tote Mädchen anstarre, frage ich mich, wie sie wohl ausgesehen hat, bevor der Tod sie in diesen Sarg gestopft und ihr in einer einzigen grausamen Schmähung alles genommen hat. Der Anblick dieser billigen Imitation von ihr macht mich krank.
    Als ich zu Tracey in den Flur trete, beendet sie gerade ihr Telefonat.
    »Sie haben die gesunkene Leiche wieder gefunden, und noch eine weitere«, sagt sie und lässt das Handy in ihre Jacke gleiten. »Damit sind es insgesamt vier.«
    »Wurde schon jemand identifiziert?«
    »Bei einer sind sie kurz davor.«
    »Wie ist sie an die Oberfläche gekommen? Die letzte Leiche, meine

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