Die Toten schweigen nicht: Thriller (German Edition)
Blumen und Liebe.
»Hi, Theo.« Ein auffallend hübsches Mädchen lächelt mich beim Betreten ungezwungen an.
»Wie läuft’s, Michelle?« Ich gebe mein Bestes, um ihr Lächeln zu erwidern.
Nach dem üblichen Schwätzchen fragt sie, ob ich das Gleiche wie immer will. Und ich sage Ja.
»Deine Frau muss Blumen wirklich lieben«, meint Michelle, und ich nicke langsam.
Michelle stellt einen Strauß zusammen, von dem sie annimmt, dass er Bridget gefallen wird, wickelt etwas Zellophan um die Stiele und reicht ihn mir. In ein kleines Buch trägt sie die Summe ein. Am Ende des Monats wird sie mir wie jedes Mal eine Rechnung schicken.
»Grüß Bridget von mir«, sagt sie mit einem Lächeln, das ansteckend ist. Manchmal denke ich, ich könnte dieser Frau stundenlang beim Lächeln zuschauen.
Ich gehe zurück zu meinem Wagen, lege die Blumen auf den Beifahrersitz und achte darauf, dass sie nicht zerdrückt werden. Dann werfe ich einen Blick auf meine Uhr. Bridget wird es nicht eilig haben, mich zu sehen, darum überlege ich es mir anders und beschließe, Rachel Tylers Familie vielleicht doch noch einen Besuch abzustatten. Ich mache einen U-Turn und fahre in die entgegengesetzte Richtung, im Gepäck einen Strauß verwelkender Blumen und jede Menge schlechte Nachrichten.
Kapitel 7
Ein stinknormaler Vorort. Hier leben die Tylers. Sämtliche Häuser in der Straße sind in einem tadellosen Zustand, und keins fällt besonders ins Auge, als hätten die Bewohner Angst, dass ihr Haus sich von den anderen unterscheiden könnte. Hier gibt es keine großen Häuser mit riesigen Fenstern, keine teuren Autos in der Einfahrt, weder BMWs noch Porsches, die auf eine Welt des großen Geldes und hoher Schulden hindeuten. Ärzte, Anwälte und Drogendealer leben woanders. Dies ist eine typische Vorortsiedlung; viele Raubüberfälle, aber kaum Morde. Man kann hier ganz gut leben. Und ganz bestimmt besser als anderswo.
Ich drossle das Tempo und werfe einen Blick auf die Briefkästen, um herauszufinden, wie weit ich fahren muss. Das hier war noch nicht mein Fall, als die Leichen an die Oberfläche kamen. Auch nicht, als der Friedhofswärter abgehauen ist. Es wurde erst zu meinem Fall, als der Sarg geöffnet wurde und Rachel Tylers Leiche mir klarmachte, dass einige Leute noch leben könnten, wenn ich damals keinen Fehler begangen hätte. Ich werfe einen Blick auf den bunten Strauß Schnittblumen neben mir und denke für ein paar Sekunden an meine Frau. Ich würde gerne glauben, dass ich weiß, was sie von mir erwartet, aber ich bin mir einfach nicht sicher. Es ist lange her, dass sie mir einen Tipp gegeben hat.
Ich trete in den Nieselregen hinaus, vor einem einstöckigen Haus aus einer Zeit, als man gerade anfing, massenweise Reihenhäuser zu bauen. Es macht einen ordentlichen, wenn auch leicht heruntergekommenen Eindruck. Im Garten sprießt hier und da etwas Unkraut, das Gras ist ein bisschen lang, und das ganze Haus wirkt ein wenig müde.
Eine Frau, Ende vierzig, Anfang fünfzig, öffnet die Tür. Sie wirkt, als wäre sie die letzten zwei Jahre ständig auf dem Sprung gewesen und würde jeden Moment mit Neuigkeiten rechnen. Sie hat Ähnlichkeit mit dem Haus – ordentlich und gepflegt, aber etwas müde.
»Ja?«
»Mrs. Tyler?«
»Ja …«
Sie weiß nicht, ob ich hier bin, um ihr irgendwelche Lexika oder Gott anzupreisen, um ihr Hoffnung hinsichtlich ihrer verschwundenen Tochter zu machen oder das Gegenteil. Langsam greife ich in meine Tasche und ziehe eine Visitenkarte hervor. Als ich sie ihr reiche, weiten sich ihre Augen, und ihre Kinnlade klappt ein wenig herunter. Sie schließt den Mund wieder, während sie liest. Offensichtlich weiß sie nicht, was sie sagen soll, ob sie sich freuen oder Sorgen machen soll.
»Meine Name ist Theodore Tate«, sage ich, »und ich bin Privatdetektiv.«
»Das steht auf der Karte«, entgegnet sie ohne eine Spur von Sarkasmus.
»Haben Sie einen Moment Zeit für mich?«
»Wissen Sie, wo sie steckt?«, fragt sie; sie ahnt längst, warum ich hier bin.
»Es geht zwar um Rachel«, erkläre ich, »allerdings nur indirekt. Wollen wir vielleicht reingehen? Dann kann ich Ihnen mehr dazu sagen.«
Es fällt ihr schwer, einen Satz anzufangen; vielleicht ringt sie mit sich, weil ihr Hunderte von Fragen gleichzeitig auf der Zunge liegen und weil es hundert Möglichkeiten gibt zu fragen, ob ihre Tochter noch lebt. Ich wette, sie hat diese Situation immer wieder durchgespielt. Doch die Realität überfordert
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