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Die toten Seelen: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Die toten Seelen: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Titel: Die toten Seelen: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nikolai Gogol
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Damen in den Salon, der selbstverständlich blau tapeziert und mit einem Sofa, einem ovalen Tische und sogar mit einigen Efeuwänden ausgestattet war; hinter ihnen her liefen knurrend die zottige Adele und Potpourri mit den hohen, dünnen Beinen. »Hierher, hierher, hier in dieses Eckchen!« sagte die Wirtin und veranlaßte die Besucherin, in einer Ecke des Sofas Platz zu nehmen. »Sehen Sie, so! Sehen Sie, so! Da haben Sie auch ein Kissen!« Bei diesen Worten stopfte sie ihr hinter den Rücken ein Kissen, auf dem mit Wolle ein Ritter gestickt war in der Art, wie sie immer auf Kanevas gestickt werden: die Nase treppenförmig und die Lippen viereckig. »Wie freue ich mich, daß Sie … Ich höre, daß da jemand vorfährt, und denke bei mir: wer kann das so früh sein? Parascha sagt: ›Die Frau Vizegouverneur‹, und ich sage: ›Na, kommt die Närrin schon wieder, um mich zu ennuyieren‹, und wollte schon sagen, daß ich nicht zu Hause wäre …«
    Die Besucherin versuchte, sogleich zur Sache zu kommen und ihre Neuigkeit mitzuteilen, aber ein Ausruf, den in diesem Augenblicke die in jeder Beziehung angenehme Dame tat, gab dem Gespräch auf einmal eine andere Richtung.
    »Was für ein reizender Zitz!« rief die in jeder Beziehung angenehme Dame, als sie das Kleid der einfach angenehmen Dame ins Auge faßte.
    »Ja, es ist recht hübsch. Praskowja Fjodorowna findet allerdings, daß es besser sein würde, wenn die Karos kleiner und die Tüpfelchen nicht braun, sondern blau wären. Meiner Schwester habe ich einen anderen Stoff geschickt; der ist so entzückend, daß man es einfach nicht mit Worten ausdrücken kann. Denken Sie sich nur: schmale, ganz schmale Streifchen, so schmal, wie sie sich die menschliche Phantasie nur vorstellen kann, ein himmelblauer Untergrund und zwischen den Streifen immer Stiefmütterchen und Gänseblümchen, Stiefmütterchen und Gänseblümchen, Stiefmütterchen und Gänseblümchen … Mit einem Worte: ein Nonplusultra! Man kann mit Sicherheit sagen, daß es etwas Ähnliches noch nie auf der Welt gegeben hat.«
    »Das ist zu bunt, meine Liebe!«
    »O nein, es ist nicht zu bunt!«
    »Doch, es ist zu bunt.«
    Es muß hier angemerkt werden, daß die in jeder Beziehung angenehme Dame bis zu einem gewissen Grade Materialistin war, zum Verneinen und Zweifeln neigte und sich gegen sehr vieles im Leben ablehnend verhielt.
    Hier erklärte die einfach angenehme Dame, daß es durchaus nicht zu bunt sei, und rief dann: »Ja, ich gratuliere Ihnen: man trägt keine Falbeln mehr!«
    »Wie geht das zu?«
    »Statt dessen trägt man Festons.«
    »Ach, das ist aber nicht hübsch – Festons!«
    »Festons, überall Festons: die Pelerine aus Festons, an den Ärmeln Festons, Schulterstücke aus Festons, unten Festons, überall Festons.«
    »Das ist unschön, Sofa Iwanowna, wenn überall Festons sind.«
    »Wunderhübsch ist es, Anna Grigorjewna: man näht sie mit zwei feinen Säumen und weiten Öffnungen, und oben … Aber hören Sie nur, da werden Sie sich einmal wundern; da werden Sie sagen, daß … Nun, staunen Sie: stellen Sie sich vor, die Taillen sind noch länger geworden; vorn ist eine Schnebbe, und das vordere Blankscheit ragt sehr weit vor; der Rock wird ringsherum ganz aufgerafft, wie früher bei den Reifröcken; es wird sogar hinten etwas Watte untergelegt, damit eine vollständige belle femme herauskommt.«
    »Nein, da muß ich sagen, das ist einfach unerhört!« erwiderte die in jeder Beziehung angenehme Dame und machte im Gefühl ihrer Würde eine stolze Bewegung mit dem Kopfe.
    »Ja, das sage ich auch: es ist wirklich unerhört!« antwortete die einfach angenehme Dame.
    »Nein, da mögen Sie sagen, was Sie wollen, diese Mode werde ich um keinen Preis mitmachen.«
    »Ich ebensowenig … Wahrhaftig, wenn man sich vorstellt, wie weit manchmal die Mode geht … es ist unglaublich! Ich habe mir von meiner Schwester expreß den Schnitt geben lassen, spaßeshalber; meine Melanja schneidert schon daran.«
    »Also Sie haben schon den Schnitt?« rief die in jeder Beziehung angenehme Dame in merklicher, echter Erregung.
    »Gewiß, meine Schwester hat ihn mitgebracht.«
    »Geben Sie ihn mir, mein Herzchen; ich bitte Sie darum bei allem, was heilig ist.«
    »Ach, ich habe ihn schon Praskowja Fjodorowna versprochen. Vielleicht nach ihr.«
    »Aber wer wird denn etwas, was Mode wird, später tragen als Praskowja Fjodorowna? Das wäre doch sehr sonderbar von Ihnen, wenn Sie Fremde Ihren Freundinnen

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