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Die toten Seelen: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Die toten Seelen: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Titel: Die toten Seelen: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nikolai Gogol
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für klar und schließt seine Erwägung mit den Worten: »So ist es also gewesen! Also dieses Volk haben wir darunter zu verstehen! Von diesem Standpunkte aus muß die Sache betrachtet werden!« Dann wird es öffentlich vom Katheder aus verkündet – und nun tritt die neuentdeckte Wahrheit ihren Weg durch die Welt an, um sich Anhänger und Bewunderer zu erwerben.
    Als die beiden Damen so scharfsinnig und glücklich die so verwickelte Sache entwirrt hatten, trat in den Salon der Staatsanwalt mit seinem ewig regungslosen Gesichte, den dichten Augenbrauen und dem zwinkernden Auge. Die Damen machten sich um die Wette daran, ihm alle Ereignisse mitzuteilen, und erzählten ihm von dem Kauf der toten Seelen und von der geplanten Entführung der Tochter des Gouverneurs und machten ihn vollständig konfus: er blieb auf demselben Fleck stehen, blinzelte mit dem linken Auge und klopfte sich mit dem Taschentuche auf den Bart, um den Schnupftabak wegzustäuben, konnte aber entschieden nichts von der Geschichte begreifen. In diesem Zustande verließen ihn die Damen und machten sich, jede nach einer besonderen Richtung, auf, um die Stadt in Aufruhr zu versetzen. Dieses Unternehmen gelang ihnen in wenig mehr als einer halben Stunde. Die Stadt war in vollem Aufstande; alles war in Gärung geraten, obgleich niemand etwas von der Sache begreifen konnte. Die Damen verstanden es, vor den Augen aller einen solchen Nebel zu erzeugen, daß alle, und besonders die Beamten, eine Zeitlang ganz wie betäubt waren. Ihre Lage glich im ersten Augenblicke der Lage eines Schülers, dem, während er schläft, seine früher aufgestandenen Kameraden einen Husaren in die Nase gesteckt haben, d.h. ein mit Tabak gefülltes Papiertütchen. Nachdem er mit der ganzen Energie eines Schlafenden den ganzen Tabak in sich hineingezogen hat, wacht er auf, springt in die Höhe, sieht sich wie ein Narr mit weit aufgerissenen Augen nach allen Seiten um und kann nicht begreifen, wo er ist und was man mit ihm gemacht hat; und erst dann erkennt er die von den schrägen Strahlen der Morgensonne beschienenen Mauern, das Gelächter seiner Kameraden, die sich in den Ecken verstecken, und den anbrechenden Tag, der durchs Fenster blickt, und den erwachenden Wald, der von tausend Vogelstimmen ertönt, und das in der Sonne leuchtende Flüßchen, das sich hier und da zwischen dem schlanken Schilfe verliert und ganz von nackten Knaben erfüllt ist, die den andern zurufen, ebenfalls ins Bad zu kommen – und nun erst merkt er endlich, daß er einen Husaren in der Nase stecken hat. Von ganz derselben Art war im ersten Augenblicke die Lage der Einwohner und der Beamten der Stadt. Ein jeder blieb wie ein Hammel mit weit aufgerissenen Augen stehen. Die toten Seelen, die Tochter des Gouverneurs und Tschitschikow verwirrten und vermischten sich in ihren Köpfen auf die seltsamste Weise, und erst als sie die erste Benommenheit überwunden hatten, begannen sie die einzelnen Stücke voneinander zu unterscheiden und eins vom andern zu sondern und nähere Auskunft zu verlangen und sich darüber zu ärgern, daß die Sache sich gar nicht aufklären wollte. »Was ist das für eine Fabel, wahrhaftig, was ist das für eine Fabel mit den toten Seelen? Da steckt ja keine Logik darin, in den toten Seelen; wie kann man denn tote Seelen kaufen? Wo findet man einen Schafskopf, der das täte? Und für welchen Preis wird er sie denn kaufen? Und wozu in aller Welt kann er diese toten Seelen verwenden? Und in welchem Zusammenhange steht die Tochter des Gouverneurs damit? Wenn er sie entführen wollte, was hatte er dann für Anlaß, zu diesem Zwecke tote Seelen zu kaufen? Wenn er aber tote Seelen kaufen wollte, wozu braucht er dann die Tochter des Gouverneurs zu entführen? Wollte er ihr etwa die toten Seelen zum Geschenk machen? Wahrhaftig, was für einen Unsinn haben die Leute da in der Stadt in Umlauf gesetzt! Was ist das für eine Wirtschaft, wenn sich jemand kaum rühren kann, ohne daß gleich eine Skandalgeschichte gemacht wird; und wenn noch irgendwelcher Sinn und Verstand darin wäre! … Aber aufgekommen ist das Gerede doch; ob es nicht also doch irgendwelchen Grund hat? Was kann bei den toten Seelen für ein Grund sein? Da ist überhaupt kein Grund denkbar. Das Ganze ist einfach Nonsens, dummes Zeug, Blödsinn, Quatsch! Hol’s der Teufel! …« Kurz, es wurde geredet und geredet, und die ganze Stadt sprach von den toten Seelen und der Tochter des Gouverneurs, von Tschitschikow und den toten

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