Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die toten Seelen: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Die toten Seelen: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Titel: Die toten Seelen: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nikolai Gogol
Vom Netzwerk:
Hindeutung auf einige Leichen liegen, die anläßlich zweier noch nicht weit zurückliegender Ereignisse mit einiger Hast begraben worden waren. Das erste Ereignis hatte sich mit einigen Kaufleuten aus Solwytschegodsk zugetragen, die zum Jahrmarkt in die Stadt gekommen waren und nach Erledigung ihrer Handelsgeschäfte Kaufleuten aus Ustsysolsk, mit denen sie befreundet waren, einen Schmaus auf russische Manier, aber mit deutschen Extragenüssen gegeben hatten, nämlich mit Orgeade, Punsch, Bowle usw. Der Schmaus hatte, wie gewöhnlich, mit einer Schlägerei geendet. Die Solwytschegodsker hatten den Ustsysolskern den Garaus gemacht, obgleich sie auch selbst von jenen starke Blessuren in der Seite, in den Weichen und im Gesicht davongetragen hatten, welche von der gewaltigen Größe der Fäuste zeugten, mit denen die Seligen ausgestattet waren. Einem der Sieger war sogar die Nase dermaßen platt geschlagen worden, daß von ihr in seinem Gesichte nicht mehr übriggeblieben war als ein Stück, so groß wie ein halber Finger. Bei dem gegen sie angestrengten Prozesse gaben die Kaufleute ihr Verschulden zu und erklärten, sie seien etwas mutwillig gewesen. Es ging das Gerücht, jeder der Angeklagten habe vier Staatsschuldscheine ausgespuckt; indes war die Sache ziemlich dunkel; aus den angestellten Befragungen und Untersuchungen ergab sich, daß die Ustsysolsker infolge von Kohlendunst gestorben waren, und daher wurden sie auch unter Angabe dieser Todesursache beerdigt. Der andere Vorgang, der sich unlängst zugetragen hatte, war folgender: Die fiskalischen Bauern des Dorfes Wschiwaja-Speß hatten sich mit den gleichartigen Bauern des Dorfes Sadirailowo zusammengetan und sozusagen die Landpolizei aus der Welt geschafft, nämlich in der Person des Kreisassessors, eines gewissen Drobjaschkin; es hieß, die Landpolizei, d.h. der Kreisassessor Drobjaschkin, habe sich angewöhnt gehabt, übermäßig oft ihre Dörfer zu besuchen, was er in manchen Fällen durch die Fieberepidemie begründet habe; der eigentliche Grund aber sei gewesen, daß die Landpolizei infolge einer gewissen Schwäche des Herzens hinter den Bauerfrauen und Bauermädchen her gewesen sei. Sicheres ist darüber allerdings nicht bekannt, obwohl die Bauern bei ihrem Verhör geradezu sagten, die Landpolizei sei so lüstern gewesen wie ein Kater; sie hätten den Herrn Kreisassessor schon mehrmals abwehren müssen und ihn einmal sogar splitternackt aus einem Bauernhause hinausgejagt, in das er sich habe eingeschlichen gehabt. Allerdings hatte die Landpolizei für eine solche Schwäche des Herzens Strafe verdient; aber auch die eigenmächtige Selbsthilfe der Bauern von Wschiwaja-Speß und Sadirailowo war nicht zu rechtfertigen, falls sie wirklich zusammen den Totschlag verübt hatten. Aber die Sache war dunkel; man hatte die Landpolizei auf der Landstraße gefunden; die Uniform oder der Rock war völlig zerfetzt gewesen und das Gesicht kaum noch zu erkennen. Die Sache kam vor das Gericht und gelangte endlich an das Gouvernementstribunal, wo die Herren zunächst im stillen unter sich folgende Erwägung anstellten: Wer von den Bauern an der Tat speziell teilgenommen habe, sei unbekannt: alle seien sie eine große Menge; Drobjaschkin sei tot, habe also, selbst wenn er den Prozeß gewänne, wenig Vorteil davon; die Bauern aber seien am Leben, und folglich sei es für sie sehr wichtig, daß die Entscheidung zu ihren Gunsten falle. Infolgedessen wurde dann folgendermaßen entschieden: der Kreisassessor Drobjaschkin sei durch seine ungerechte Unterdrückung der Bauern von Wschiwaja-Speß und Sadirailowo selbst an seinem Tode schuld geworden; gestorben sei er aber bei der Rückfahrt in seinem Schlitten am Schlagfluß. Es hätte nun scheinen können, daß die Sache damit vollständig erledigt war; aber wunderlicherweise kamen die Beamten auf den Gedanken, daß es sich jetzt wahrscheinlich um diese toten Seelen handle. Und gerade zu dieser Zeit, wo die Herren Beamten sich ohnehin schon in schwieriger Lage befanden, mußte es sich noch treffen, daß dem Gouverneur gleichzeitig zwei Schreiben zugingen. In dem einen stand, nach eingegangenen Mitteilungen und Meldungen befinde sich in dem dortigen Gouvernement ein Fälscher von Papiergeld, der sich unter verschiedenen Namen verberge; es möge unverzüglich die strengste Untersuchung angestellt werden. Das andere Schreiben enthielt eine Mitteilung des Gouverneurs eines benachbarten Gouvernements über einen Räuber, der sich der

Weitere Kostenlose Bücher