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Die toten Seelen: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Die toten Seelen: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Titel: Die toten Seelen: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nikolai Gogol
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Aufmerksamkeit: sie bestand darin, aus sehr vielen Spielen die Karten eines einzigen Spieles zusammenzusuchen, dergestalt, daß eine jede ein Merkzeichen hatte, auf das man sich wie auf einen treuen Freund verlassen konnte. Es blieb ihm noch für mindestens zwei Wochen Arbeit; während dieser ganzen Zeit mußte Porfiri dem kleinen Bullenbeißer den Nabel mit einem besonderen Bürstchen reinigen und dreimal täglich mit Seife waschen. Nosdrew war sehr ärgerlich darüber, daß man ihn in seiner Zurückgezogenheit störte; zuerst hieß er den Polizeikommissar sich zum Teufel scheren; aber als er in dem Billette des Polizeimeisters gelesen hatte, daß sich vielleicht ein profitables Geschäft werde machen lassen, da zum Abend ein Neuling erwartet werde, wurde er sogleich milder gestimmt, schloß das Zimmer schnell ab, zog sich eilig an und begab sich zu ihm. Die Angaben, Zeugnisse und Vermutungen Nosdrews standen in so schroffem Widerspruche zu denen der Herren Beamten, daß auch deren letzte Hypothesen umgestoßen wurden. Dies war entschieden ein Mensch, für den es überhaupt keine Zweifel gab, und seine Bestimmtheit und Zuversichtlichkeit in seinen Annahmen war ebenso groß wie ihre Unsicherheit und Schüchternheit in den ihrigen. Er antwortete auf alle Punkte ohne im geringsten zu stocken, erklärte, Tschitschikow habe für mehrere tausend Rubel tote Seelen gekauft; auch er selbst habe ihm welche verkauft, da er keinen Grund eingesehen habe, weshalb er das nicht hätte tun sollen. Auf die Frage, ob Tschitschikow ein Spion sei und irgend etwas auszukundschaften suche, antwortete Nosdrew, ja, er sei ein Spion; schon in der Schule, wo er sein Mitschüler gewesen sei, habe man ihn Petzmichel genannt, und die Kameraden, darunter auch er selbst, hätten ihn einmal dafür so verprügelt, daß ihm nachher an eine Schläfe hätten zweihundertvierzig Blutegel gesetzt werden müssen; er hatte allerdings ursprünglich nur vierzig sagen wollen, aber die zweihundert hatten sich dann ganz von selbst noch hinzugefunden. Auf die Frage, ob er ein Banknotenfälscher sei, antwortet er, das sei er, und erzählte bei dieser Gelegenheit eine Anekdote von Tschitschikows außerordentlicher Geschicklichkeit: die Behörde sei benachrichtigt worden, daß sich in seinem Hause für zwei Millionen Rubel falsche Banknoten befänden; sie habe deshalb das Haus unter Siegel gelegt und Posten davorgestellt, vor jede Tür zwei Soldaten; Tschitschikow aber habe die falschen Banknoten alle in einer einzigen Nacht vertauscht, so daß die Behörde am anderen Tage nach Abnahme der Siegel nur echte Banknoten vorgefunden habe. Auf die Frage, ob Tschitschikow wirklich die Absicht gehabt habe, die Tochter des Gouverneurs zu entführen, und ob es wahr sei, daß er, Nosdrew, selbst es übernommen habe, ihm dabei zu helfen und sich dabei zu beteiligen, antwortete Nosdrew, er habe ihm tatsächlich seine Hilfe zugesagt, und ohne ihn wäre die Sache überhaupt nicht in Gang gekommen. Hier stockte er einen Augenblick, da er merkte, daß er ganz zwecklos log und sich auf diese Art selbst zu Schaden bringen konnte; aber er vermochte nun seine Zunge nicht mehr zu hemmen. Übrigens war das auch eine schwere Aufgabe, weil sich ihm ganz von selbst so interessante Einzelheiten darboten, auf die zu verzichten ihm geradezu unmöglich war; er nannte sogar den Namen des Dorfes, in dessen Kirche die Trauung stattfinden sollte; das Dorf hieß Truchmatschewka, der Pope Vater Sidor; für die Trauung sollte dieser fünfundsiebzig Rubel bekommen; er würde aber nicht eingewilligt haben, wenn er, Nosdrew, ihn nicht durch die Drohung ins Bockshorn gejagt hätte, ihn dafür zu denunzieren, daß er den Mehlhändler Michail mit einer Gevatterin getraut habe; er habe sogar seinen Wagen hergegeben und auf allen Stationen für Relaispferde gesorgt. Die Einzelheiten gingen so weit, daß er schon anfing, die Namen der Postillione anzugeben. Die Beamten versuchten, ein Wort über Napoleon fallen zu lassen, hatten aber selbst keine Freude von diesem Versuche, denn Nosdrew schwatzte nun einen blühenden Unsinn zusammen, der nicht nur keine Ähnlichkeit mit der Wahrheit hatte, sondern überhaupt einfach unerhört war, so daß die Beamten alle seufzend fortgingen; nur der Polizeimeister hörte noch lange zu, um zu sehen, ob nicht doch noch wenigstens etwas Brauchbares herauskäme; aber schließlich machte auch er eine verzweifelte Handbewegung und sagte: »Weiß der Teufel, was das für Zeug ist!«

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