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Die toten Seelen: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Die toten Seelen: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Titel: Die toten Seelen: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nikolai Gogol
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muß dir doch sagen, daß die ganze Stadt auf dich schlecht zu sprechen ist. Sie glauben, daß du Banknoten fälschst, und setzten mir mit Fragen zu; ich habe dich kräftig verteidigt und ihnen gesagt, ich wäre ein Schulkamerad von dir und hätte deinen Vater gekannt; na, ich muß sagen, ich habe ihnen die Hucke gehörig vollgelogen.«
    »Ich fälsche Banknoten?« rief Tschitschikow und sprang beinahe von seinem Stuhl in die Höhe.
    »Warum hast du ihnen denn aber einen solchen Schreck eingejagt?« fuhr Nosdrew fort. »Weiß der Teufel, sie sind vor Furcht rein närrisch geworden; sie halten dich für einen Räuber und Spion … Und der Staatsanwalt ist vor Schreck gestorben; morgen ist die Beerdigung. Du wirst wohl nicht dabei sein? Die Wahrheit zu sagen, sie haben Angst vor dem neuen Generalgouverneur, es könne um deinetwillen irgendwelchen Skandal geben; aber was den Generalgouverneur betrifft, so bin ich der Ansicht, wenn er die Nase hoch trägt und wichtig tut, dann wird er mit den Adligen entschieden nicht zurechtkommen. Die Adligen verlangen eine freundliche Behandlung, nicht wahr? Gewiß, man kann sich in sein Arbeitszimmer einschließen und keinen einzigen Ball geben; aber was wird dadurch erreicht? Dadurch gewinnt man nichts. Aber hör mal, Tschitschikow, du hast da doch eine sehr gewagte Geschichte entriert.«
    »Was für eine gewagte Geschichte?« fragte Tschitschikow beunruhigt.
    »Daß du die Tochter des Gouverneurs entführen willst. Ich für meine Person hatte das, offen gestanden, erwartet; weiß Gott, ich hatte es erwartet! Gleich beim erstenmal, als ich euch zusammen auf dem Balle sah, da dachte ich bei mir: ›Na, Tschitschikow ist gewiß nicht ohne besonderen Grund hier …‹ Übrigens hast du da keine glückliche Wahl getroffen; ich finde an dieser jungen Dame nichts Gutes. Aber da ist eine andere, eine Verwandte von Bikusow, eine Tochter seiner Schwester, das ist ein Mädchen, sag ich dir! Da kann man sagen, geradezu ein Juwel!«
    »Aber was redest du denn, was redest du für Unsinn? Was heißt das, daß ich die Tochter des Gouverneurs entführen will? Was redest du da?« sagte Tschitschikow, die Augen aufreißend.
    »Na, laß nur gut sein, Bruder; was bist du für ein versteckter Mensch! Offen gestanden, ich bin hergekommen, um dir zu sagen, daß ich bereit bin, dir zu helfen. Wenn’s dir recht ist, werde ich dir die Krone halten [9]   und auch für die Kutsche und für die Relaispferde sorgen, aber nur unter einer Bedingung: du mußt mir dreitausend Rubel borgen. Ich brauche sie, Bruder, weiß Gott!«
    Während Nosdrew so plapperte, rieb sich Tschitschikow mehrmals die Augen, um sich zu überzeugen, ob ihm nicht etwa das alles nur träume. Er ein Banknotenfälscher, die Entführung der Tochter des Gouverneurs, der Tod des Staatsanwalts, dessen Ursache er sein sollte, die Ankunft des Generalgouverneurs, dies alles jagte ihm einen gehörigen Schreck ein. »Nun«, dachte er bei sich im stillen, »wenn es schon so weit gekommen ist, dann darf ich nicht länger zaudern, sondern muß mich schnellstens davonmachen.«
    Er suchte Nosdrew so bald wie möglich loszuwerden, rief sofort Selifan zu sich und befahl ihm, sich morgen bei Tagesanbruch bereitzuhalten, da sie unbedingt um sechs Uhr früh aus der Stadt wegfahren wollten; er solle alles revidieren, die Britschke schmieren usw. usw. Selifan antwortete: »Zu Befehl, Pawel Iwanowitsch«, blieb jedoch noch einige Zeit an der Tür stehen, ohne sich vom Fleck zu rühren. Der Herr befahl sofort auch Petruschka, den Koffer unter dem Bette hervorzuziehen, der schon tüchtig mit Staub bedeckt war, und machte sich mit ihm zusammen daran, ohne große Sorgfalt Strümpfe, Hemden, reine und gebrauchte Wäsche, Stiefelhölzer, einen Kalender usw. in ihn hineinzulegen. Alles wurde eingepackt, wie es ihnen gerade unter die Hände kam; Tschitschikow wollte unter allen Umständen an diesem Abend noch fertig werden, damit am andern Morgen kein Aufenthalt entstände. Nachdem Selifan etwa zwei Minuten lang an der Tür gestanden hatte, ging er endlich sehr langsam aus dem Zimmer. So langsam, wie man es sich nur irgend denken kann, stieg er die Treppe hinunter, wobei er auf den ausgetretenen Stufen Abdrücke seiner nassen Stiefel zurückließ, und kratzte sich lange mit der Hand das Genick. Was bedeutete dieses Kratzen? Und was bedeutet es überhaupt im allgemeinen? Ärgerte er sich darüber, daß nun eine für den folgenden Tag in Aussicht genommene Zusammenkunft

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