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Die toten Seelen: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Die toten Seelen: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Titel: Die toten Seelen: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nikolai Gogol
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sich der Mensch hier noch auf Auseinandersetzungen ein! Nun paß mal auf: wenn du mir nicht sofort ein paar Schmiede herbringst und nicht in zwei Stunden alles fix und fertig ist, dann werde ich dir eine Tracht Prügel verabfolgen, wie du sie noch nie besehen hast! Marsch! Geh!« Selifan ging hinaus.
    Tschitschikow befand sich in sehr übler Laune und schleuderte seinen Säbel auf den Fußboden; er führte nämlich auf Reisen immer einen Säbel mit sich, um Leuten, bei denen dies nötig war, gebührende Furcht einzuflößen. Länger als eine Viertelstunde stritt er mit den Schmieden herum, bis er sich mit ihnen einigte; denn die Schmiede waren, wie gewöhnlich, geriebene Gauner und forderten, da sie merkten, daß die Arbeit eilig sei, das Sechsfache des richtigen Preises. Mochte er auch noch so hitzig werden und sie Schurken, Räuber und Wegelagerer nennen und sogar auf das Jüngste Gericht hindeuten, das machte alles auf die Schmiede keinen Eindruck; sie blieben ihrer Rolle treu und ließen nicht nur nichts vom Preise ab, sondern brachten auch mit der Arbeit statt zweier Stunden ganze fünf und eine halbe Stunde hin. Während dieser Zeit hatte er das Vergnügen, jene angenehmen Augenblicke zu durchleben, die jedem Reisenden bekannt sind, wenn alles in den Koffer gepackt ist und im Zimmer nur noch Bindfäden, Papierfetzen und allerlei Plunder umherliegt, wenn der Mensch weder auf der Landstraße dahinfahren noch das Sitzen auf einem Fleck vertragen kann, aus dem Fenster nach den Vorübergehenden sieht, die von ihren kleinen Geldangelegenheiten reden und mit einer Art von dummer Neugier die Augen zu ihm erheben, um nach einem kurzen Blicke ihren Weg wieder fortzusetzen, was den Mißmut des armen festgebannten Reisenden noch steigert. Alles, was da ist, alles, was er sieht: der Laden seinen Fenstern gegenüber und der Kopf der alten Frau, die in dem gegenüberliegenden Hause wohnt und an das Fenster mit den kurzen Vorhängen herantritt, alles ist ihm widerwärtig, und doch geht er nicht vom Fenster weg. Während er so dasteht, versinkt er bald in Selbstvergessenheit, bald wendet er von neuem eine Art von stumpfer Aufmerksamkeit auf alles, was sich vor ihm bewegt und nicht bewegt, und zerdrückt vor Ärger mit dem Finger eine Fliege, welche umhersummt und gegen die Fensterscheibe stößt. Aber alles hat schließlich ein Ende, und der ersehnte Augenblick kam: alles war bereit, das Vorderrad der Britschke ordnungsgemäß repariert, das Rad neu beschient, die Pferde getränkt, und die räuberischen Schmiede hatten sich entfernt, nachdem sie die empfangenen Rubelstücke durchgezählt und glückliche Reise gewünscht hatten. Endlich war auch die Britschke angespannt und zwei heiße, soeben gekaufte große Weißbrote hineingetan; auch Selifan hatte sich bereits für sich etwas in die Tasche gesteckt, die am Kutschersitz angebracht war, und unser Held stieg endlich selbst in den Wagen, unter Mützeschwenken seitens des Kellners, der in seinem unveränderlichen halbbaumwollenen Rocke dastand, und in Gegenwart teils zum Gasthof gehöriger, teils fremder Diener und Kutscher, die zusammengekommen waren, um zu sehen, wie der fremde Herr abfahre, und unter allen anderen Begleitumständen einer Abreise – und die Britschke, jene Kutsche von der Art, wie sie Junggesellen zu benutzen pflegen, fuhr, nachdem sie so lange in der Stadt gestanden hatte (vielleicht ist sie dem Leser schon langweilig geworden), endlich aus dem Tore des Gasthauses hinaus. »Gott sei Dank!« dachte Tschitschikow und bekreuzte sich. Selifan knallte mit der Peitsche; Petruschka, der sich zuerst eine Weile auf dem Trittbrette geschaukelt hatte, setzte sich zu ihm; unser Held setzte sich auf einer grusischen Decke bequem zurecht, schob sich ein Lederkissen hinter den Rücken, zerdrückte dabei die beiden heißen Weißbrote, und der Wagen begann, dank dem Pflaster, das bekanntlich eine große Stoßkraft besaß, wieder zu hüpfen und zu springen. Mit einer unbestimmten Empfindung blickte er nach den Häusern, den Mauern, den Zäunen und Straßen, die ihrerseits gleichfalls zu hüpfen schienen und langsam zurückwichen; Gott mochte wissen, ob es ihm noch einmal in seinem Leben vom Schicksal beschieden sein würde, sie wiederzusehen. An einer Straßenkreuzung mußte die Britschke halten, weil ein endloser, die Straße in ihrer ganzen Länge ausfüllender Leichenzug vorüberkam. Tschitschikow steckte den Kopf heraus, befahl Petruschka zu fragen, wer da begraben werde,

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