Die toten Seelen: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)
Aufträgen erhielt er auch den, die Verpfändung einiger hundert Bauern beim Vormundschaftsgerichte zu besorgen. Das betreffende Gut war völlig heruntergekommen; die Ursachen waren Viehseuchen, betrügerische Verwalter, Mißernten, Epidemien, die die besten Arbeiter dahinrafften, und endlich die eigene Unvernunft des Gutsbesitzers, der sich in Moskau ein Haus nach dem neuesten Geschmack eingerichtet und dafür sein ganzes Vermögen bis auf die letzte Kopeke ausgegeben hatte, so daß er jetzt nicht einmal so viel hatte, um sich davon satt zu essen. Aus diesem Grunde war es schließlich erforderlich geworden, das letzte übriggebliebene Gut zu verpfänden. Eine Verpfändung an den Fiskus war damals noch etwas Neues, wozu man sich nicht ohne Furcht entschloß. Tschitschikow suchte in seiner Eigenschaft als Sachwalter zunächst alle Beamten, die dabei mitzuwirken hatten, in die richtige Stimmung zu versetzen (ohne das gelingt einem bekanntlich nicht einmal eine einfache Erkundigung oder Nachfrage; man muß mindestens eine Flasche Madera in jede Kehle hineingießen); nachdem er also alle, auf die es ankam, in die richtige Stimmung versetzt hatte, wies er darauf hin, daß da noch ein beachtenswerter Umstand sei: die Hälfte der Bauern sei gestorben; er erwähne das ausdrücklich, damit nicht nachher deswegen Rekriminationen erfolgten … »Aber sie stehen doch in der Revisionsliste?« fragte der Sekretär. »Das allerdings«, antwortete Tschitschikow. »Nun, was haben Sie denn dann für Besorgnisse?« erwiderte der Sekretär. »Der ist gestorben, der zur Welt gekommen; so hat die Zahl nicht zu-, nicht abgenommen.« Der Sekretär verstand offenbar auch, in Versen zu sprechen. In diesem Augenblick blitzte wie durch eine Art von Eingebung in dem Kopfe unseres Helden ein so feiner Gedanke auf, wie er noch nie einem Menschen in den Sinn gekommen war. »Ach, ich Dummkopf!« sagte er zu sich selbst, »da suche ich nun meine Handschuhe, und sie stecken in meinem Gürtel! Hätte ich mir alle diese gestorbenen Bauern noch vor der Aufstellung neuer Revisionslisten gekauft, hätte ich mir ihrer, sagen wir einmal, tausend Stück erworben, dann würde mir das Vormundschaftsgericht, sagen wir einmal, zweihundert Rubel für jede Seele geben: das ergäbe ein Kapital von zweihunderttausend Rubeln! Und gerade jetzt ist dazu die geeignete Zeit: es ist eben erst eine Epidemie gewesen, bei der, Gott sei Dank, nicht wenige Menschen gestorben sind. Die Gutsbesitzer haben ihr Geld im Kartenspiel verloren und durch flottes Leben und anderweitige Verschwendung durchgebracht, wie es sich gehört; alle sind sie nach Petersburg geströmt, um dort in den Staatsdienst zu treten; um die Güter kümmern sie sich nicht, in denen schalten Verwalter, wie es sich gerade trifft; die Bezahlung der Abgaben wird mit jedem Jahre schwieriger; unter diesen Umständen wird mir jeder mit Freuden seine toten Seelen abtreten, schon um nicht noch weiter Geld für sie bezahlen zu müssen; vielleicht macht es sich sogar gelegentlich so, daß ich von ein und dem anderen noch eine Kleinigkeit dafür bezahlt bekomme. Freilich ist es eine sehr mühsame, sorgenvolle Sache, und man hat dabei zu befürchten, daß ein Skandal daraus entsteht und man bestraft wird. Aber wozu ist denn dem Menschen der Verstand gegeben worden? Gut ist dabei namentlich, daß die Sache allen unwahrscheinlich vorkommen wird und niemand es recht wird glauben wollen. Allerdings, ohne Land kann man sie weder kaufen noch verpfänden. Aber ich werde sie ja auch zur Übersiedelung kaufen, zur Übersiedelung: jetzt wird Land in den Gouvernements Taurien und Cherson umsonst weggegeben, wenn man es nur besiedelt. Dahin werde ich sie alle übersiedeln! Nach dem Gouvernement Cherson! Da mögen sie leben! Und die Übersiedelung kann man auf gesetzlichem Wege bewerkstelligen, wie es sich gehört, durch das Gericht. Und wenn sie eine Bescheinigung über das Vorhandensein der Bauern verlangen – meinetwegen; ich habe auch da nichts dagegen, warum denn nicht? Auch eine solche Bescheinigung mit der eigenhändigen Unterschrift des Bezirkshauptmanns werde ich präsentieren. Das Dorf kann ich Tschitschikowsdorf oder nach meinem Taufnamen Pawlowskoje nennen.« Auf diese Weise kam in dem Kopfe unseres Helden dieser seltsame Plan zustande; ob ihm die Leser dafür dankbar sein werden, weiß ich nicht; wie dankbar ihm aber der Verfasser dafür ist, das läßt sich nur schwer mit Worten ausdrücken; denn wäre unserem
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