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Die toten Seelen: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Die toten Seelen: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Titel: Die toten Seelen: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nikolai Gogol
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Dasein, ein schweres Dasein, Konstantin Fjodorowitsch! Ich weiß ja, daß ich selbst an allem schuld bin. Aber was ist zu machen? Ich bin ein Vieh und habe als Vieh gelebt. Entschuldigen Sie, meine Herren, daß ich Sie in diesem Aufzuge empfange: meine Stiefel sind, wie Sie sehen, zerrissen. Was darf ich Ihnen vorsetzen?«
    »Machen Sie keine Umstände!« sagte Kostanschoglo. »Wir kommen in einer geschäftlichen Angelegenheit zu Ihnen. Da ist ein Käufer für Ihr Gut, Pawel Iwanowitsch Tschitschikow.«
    »Ich freue mich von ganzem Herzen, Ihre Bekanntschaft zu machen. Gestatten Sie, daß ich Ihnen die Hand drücke!«
    Tschitschikow reichte ihm die Hand hin.
    »Ich werde Ihnen, hochverehrter Pawel Iwanowitsch, sehr gern mein Gut zeigen, das allerdings Beachtung verdient. Aber, meine Herren, gestatten Sie zunächst die Frage: haben Sie schon zu Mittag gespeist?«
    »Gewiß, das haben wir getan,« erwiderte Kostanschoglo, in dem Wunsche, möglichst bald loszukommen. »Wir wollen uns nicht aufhalten und uns gleich an die Besichtigung machen.«
    »Nun, dann wollen wir gehen!« Chlobujew griff nach seiner Mütze. »Besichtigen wir meine Unordnung und Liederlichkeit!«
    Die Gäste setzten die Mützen auf, und alle gingen die Dorfstraße entlang.
    Auf beiden Seiten standen klägliche Hütten mit winzigen Fenstern, die mit Lappen verstopft waren.
    »Besichtigen wir meine Unordnung und Liederlichkeit!« sagte Chlobujew noch einmal. »Sie haben allerdings gut daran getan, daß Sie schon zu Mittag gegessen haben. Können Sie es glauben, Konstantin Fjodorowitsch: ich habe kein Huhn im Hause; soweit ist es mit mir gekommen!«
    Er seufzte, und als fühlte er, daß er bei Konstantin Fjodorowitsch wenig Teilnahme finden werde, faßte er Platonow unter und ging mit ihm voran, wobei er ihn fest an seine Brust zog. Kostanschoglo und Tschitschikow blieben etwas zurück, faßten sich unter und folgten ihnen in einiger Entfernung.
    »Es ist ein schweres Dasein, Platon Michailowitsch, ein schweres Dasein!« sagte Chlobujew zu Platonow. »Sie können sich gar nicht vorstellen, was ich für ein schweres Dasein habe! Kein Geld, kein Brot, keine Stiefel – das sind für Sie Worte aus einer fremden Sprache. Und das alles würde ich noch leicht nehmen, wenn ich jung wäre und allein dastände. Aber wenn einen alle diese Nöte im Alter bedrängen und man eine Frau und fünf Kinder hat, dann wird man doch traurig, unwillkürlich wird man traurig.«
    »Nun, aber wenn Sie Ihr Gut verkaufen, wird Ihnen das nicht aufhelfen?« fragte Platonow.
    »Wie kann mir das aufhelfen?« erwiderte Chlobujew mit einer resignierten Handbewegung. »Es wird alles für die Bezahlung der Schulden draufgehen, und mir selbst werden nicht tausend Rubel verbleiben.«
    »Was werden Sie dann also tun?«
    »Das mag Gott wissen!«
    »Aber Sie müssen doch etwas unternehmen, um aus dieser unangenehmen Lage herauszukommen.«
    »Was soll ich unternehmen?«
    »Nehmen Sie doch irgendeine Stelle an!«
    »Ich bin ja früher nur Gouvernementssekretär gewesen. Was kann man mir denn für eine Stelle geben? Doch nur eine ganz kleine. Was hilft mir ein Gehalt von fünfzehn Rubeln? Ich habe ja doch eine Frau und fünf Kinder.«
    »Werden Sie doch Gutsverwalter!«
    »Aber wer wird mir sein Gut anvertrauen, da ich mein eigenes durchgebracht habe?«
    »Nun, aber wenn einem der Hungertod droht, muß man doch etwas unternehmen. Ich werde meinen Bruder fragen, ob der Ihnen nicht durch irgend jemandes Vermittelung in der Stadt ein Amt verschaffen kann.«
    »Nein, Platon Michailowitsch«, erwiderte Chlobujew seufzend, indem er ihm kräftig die Hand drückte, »ich tauge jetzt zu nichts mehr; ich bin vor der Zeit hinfällig geworden: das Kreuz tut mir weh von früheren Sünden, und in der Schulter habe ich Rheumatismus. Ich bin zu nichts zu gebrauchen! Wozu soll ich die Staatskasse berauben? Es gibt jetzt sowieso schon eine Menge Leute, die nur, um eine feste Einnahme zu haben, ein Amt übernehmen. Nein, um mein Gehalt aufzubringen, darum sollen dem armen Volke die Steuern nicht erhöht werden!«
    »Das sind die Folgen des ausschweifenden Lebenswandels«, dachte Platonow. »Das ist schlimmer als meine Lethargie.«
    Während diese beiden so miteinander sprachen, war Kostanschoglo, der mit Tschitschikow hinter ihnen herging, ganz außer sich vor Grimm.
    »Da, sehen Sie nur«, sagte er, mit dem Finger auf die bäuerlichen Gehöfte zeigend, »in welche Armut er die Bauern gebracht hat! Sie haben ja

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