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Die toten Seelen: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Die toten Seelen: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Titel: Die toten Seelen: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nikolai Gogol
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Besitz eines nicht eingebildeten, sondern wirklichen Gutes gelangen könne. Nach dem Gespräche mit seinem Wirte war alles so klar geworden! Die Möglichkeit, reich zu werden, schien ihm zweifellos zu sein. Die schwierige Arbeit des Landwirtes erschien ihm jetzt so leicht und verständlich und so sehr zu seiner eigenen Natur passend! Wenn er nur erst auf diese toten Seelen eine Hypothek aufgenommen und sich ein wirklich existierendes Gut angeschafft hätte! Er sah sich bereits wirken und alles verwalten, gerade so wie Kostanschoglo es ihn gelehrt hatte, gewandt und umsichtig; er führte nichts Neues ein, ehe er nicht alles Alte gründlich kennengelernt hatte; alles beaufsichtigte er mit eigenen Augen; alle Bauern kannte er; er verzichtete auf allen Luxus und ergab sich ganz der Arbeit für die Wirtschaft. Schon im voraus genoß er das Vergnügen, das er empfinden werde, wenn eine genaue Ordnung eingeführt sein werde und alle Räder der Wirtschaftsmaschine sich in munterem Gange bewegen und einander gegenseitig antreiben würden. Es werde fleißig und eifrig gearbeitet werden, und wie in einer glatt gehenden Mühle schnell das Korn zu Mehl gemahlen wird, so werde dort aller Schund und Abfall zu barem Gelde gemahlen werden und zu immer mehr barem Gelde. Sein wunderbarer Wirt stand ihm bei diesen Gedanken unablässig vor Augen. Dies war der erste Mensch in ganz Rußland, vor dem er wegen seiner Persönlichkeit Hochachtung empfand. Bisher hatte er einen Menschen entweder wegen seines hohen Ranges oder wegen seiner großen Einnahmen hochgeachtet, aber nie eigentlich wegen seines Verstandes; in dieser Hinsicht war Kostanschoglo der erste. Er sah ein, daß er diesem Manne gegenüber nicht irgendwelche Kniffe und Pfiffe, tote Seelen betreffend, zur Anwendung bringen dürfe; was ihn jetzt beschäftigte, war ein anderes Projekt: Chlobujews Gut zu kaufen. Zehntausend Rubel besaß er; fünfzehntausend wollte er versuchen von Kostanschoglo zu leihen, da dieser ja selbst erklärt hatte, er sei bereit, einem jeden zu helfen, der reich zu werden beabsichtige; den Rest des Kaufgeldes wollte er sich auf irgendwelche andere Weise beschaffen, etwa durch Aufnahme einer Hypothek; aber er konnte auch ganz einfach den Verkäufer warten lassen. Denn auch das war möglich; mochte dieser sich immerhin mit den Gerichten abquälen, wenn er dazu Lust hatte! Lange dachte er über all dies nach. Endlich umfing der Schlummer, der schon volle vier Stunden lang das ganze Haus, wie man sich auszudrücken pflegt, in seinen Armen hielt, auch unsern Tschitschikow. Er versank in festen Schlaf.

Viertes Kapitel
    Am folgenden Tage machte sich alles auf die denkbar beste Weise. Kostanschoglo gab mit Vergnügen zehntausend Rubel ohne Zinsen und ohne Bürgschaft her, nur gegen eine einfache Quittung; so gern war er bereit, einem jeden auf dem Wege zum Erwerb eines Vermögens zu helfen. Und damit nicht genug: er erbot sich selbst, Tschitschikow zu Chlobujew zu begleiten, um mit ihm zusammen das Gut in Augenschein zu nehmen. Tschitschikow war in der heitersten Stimmung. Nach einem kräftigen Frühstück machten sie sich alle auf, und zwar stiegen sie alle drei in Pawel Iwanowitschs Kalesche; der Wagen des Hausherrn fuhr leer hinterher. Jarb lief voran und jagte die Vögel vom Wege auf. Ganze fünfzehn Werst lang zog sich zu beiden Seiten des Weges Wald- und Ackerland hin, das Kostanschoglo gehörte. Aber sowie dessen Besitzungen aufhörten, änderte sich das ganze Bild: das Getreide stand dünn, und anstelle der Wälder sah man nur Baumstümpfe. Die Gutsgebäude ließen trotz ihrer schönen Lage schon von weitem die Vernachlässigung erkennen. Zuerst kam ein neues, steinernes Haus, das aber nicht bewohnt wurde, weil der Bau unfertig liegen gelassen war, dahinter ein dürftiges anderes, bewohntes. Den Hausherrn fanden sie ungekämmt und verschlafen, da er erst vor kurzem aufgewacht war. Er mochte etwa vierzig Jahre alt sein; das Halstuch saß ihm schief; der Rock wies einen Flicken auf, der eine Stiefel ein Loch.
    Über die Ankunft der Gäste freute er sich ganz außerordentlich, gerade als ob er Brüder wiedersähe, von denen er lange getrennt gewesen wäre.
    »Konstantin Fjodorowitsch! Platon Michailowitsch! Nein, daß Sie mich mit Ihrem Besuche beehren! Ich muß mir die Augen trocknen! Ich hatte wirklich schon gedacht, daß kein Mensch mehr zu mir käme. Jeder meidet mich wie die Pest, weil er denkt, ich wolle Geld von ihm borgen. Ach ja, es ist ein schweres

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