Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die toten Seelen: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Die toten Seelen: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Titel: Die toten Seelen: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nikolai Gogol
Vom Netzwerk:
keine Wagen und keine Pferde mehr. Wenn eine Viehseuche ausbricht, dann darf man seine eigene Habe nicht schonen: dann muß man alles, was man hat, verkaufen, um den Bauer mit Vieh zu versehen, damit er auch nicht einen Tag ohne die Mittel zur Fortsetzung seiner Arbeit bleibt. Aber was der hier angerichtet hat, das ist in Jahren nicht wieder gutzumachen. Der Bauer hat schon seinen Charakter verändert und ist faul und trunksüchtig geworden. Schon allein dadurch, daß man ihn ein Jahr ohne Arbeit verbringen läßt, verdirbt man ihn für alle Zeit; denn er hat sich dann daran gewöhnt, in Lumpen zu gehen und sich herumzutreiben … Und in welchem Zustande befindet sich das Land? Sehen Sie nur das Land an!« fuhr er fort, indem er auf die Wiesen zeigte, die nicht weit hinter den Bauernhäusern sichtbar wurden. »Das ist lauter Land, das durch die Überschwemmungen von selbst bewässert wird! Ich würde da Flachs bauen und aus dem Flachs allein etwa fünftausend Rubel herausschlagen; ich würde Rüben pflanzen und daran gegen viertausend verdienen. Und nun sehen Sie einmal dort: an dem Abhang ist Roggen gewachsen, der ist nur von ausgefallenen Körnern aufgegangen; er hat überhaupt kein Getreide gesät, das weiß ich. Und dort die Schluchten; da würde ich Waldungen anlegen, das müßten Riesenstämme werden. Und ein solches Juwel von Land läßt er verkommen! Na, wenn er nicht mehr die Mittel zum Pflügen hatte, dann hätte er es sollen mit dem Spaten als Gemüseland umgraben; es wäre ein vortreffliches Gemüsefeld geworden. Aber da muß man selbst den Spaten in die Hand nehmen, und seine Frau, seine Kinder und sein Gesinde dazu anstellen. Und wenn man auch bei der Arbeit stirbt, man stirbt dann wenigstens in Erfüllung einer Pflicht und nicht, weil man sich wie ein Schwein überfressen hat.« Nach diesen Worten spuckte Kostanschoglo aus, und seine erbitterte Stimmung breitete einen finsteren Schatten über seine Stirn.
    Als sie an den mit Gestrüpp bewachsenen steilen Abhang gelangt waren und auf seinem oberen Rande standen, erblickten sie in der Ferne eine blitzende Krümmung des Flusses und einen dunklen Höhenzug und ein Stück des in Bäumen versteckten Hauses des Generals Betrischtschew, das in der Perspektive näher erschien; dahinter aber wurde ein kraus aussehender, mit Wald bedeckter Berg sichtbar, und Tschitschikow erriet sogleich, da müsse Tentetnikows Gut liegen. »Wenn man hier einen Wald anpflanzte«, bemerkte er, »so würde das landschaftliche Bild an Schönheit von wenigen übertroffen werden.«
    »Ah, Sie sind ein Freund von schönen Landschaften«, erwiderte Kostanschoglo und warf ihm auf einmal einen strengen Blick zu. »Nehmen Sie sich in acht; wenn Sie auf schöne Landschaftsbilder zu viel Wert legen, werden Sie eines schönen Tages kein Brot und keine schönen Landschaftsbilder haben. Sehen Sie auf den Nutzen und nicht auf die Schönheit! Die Schönheit wird von selbst kommen. Zum Beweise können die Städte dienen: die besten und schönsten sind noch immer diejenigen, die sich sozusagen von selbst gebaut haben, wo ein jeder nach seinen Bedürfnissen und nach seinem Geschmack gebaut hat; diejenigen aber, die nach der Schnur gebaut sind, das sind die reinen Kasernen. Die Schönheit muß aus dem Spiel bleiben! Richten Sie Ihr Augenmerk auf das Notwendige!«
    »Schade nur, daß man so lange warten muß; man möchte so gern alles recht bald in dem gewünschten Zustande sehen.«
    »Aber sind Sie denn ein fünfundzwanzigjähriger Jüngling, daß Sie so wenig Geduld haben? Da sieht man den Petersburger Beamten. Nur immer Geduld! Arbeiten Sie nur erst einmal sechs Jahre hintereinander: pflanzen Sie, säen Sie, graben Sie die Erde, ohne sich auch nur einen Augenblick Erholung zu gönnen! Das ist schwer, sehr schwer. Aber dafür wird dann auch der Boden, wenn Sie ihn erst einmal ordentlich in Bewegung gebracht haben, Ihnen von selbst helfen; er ist gleichsam ein lebendes Wesen. Außer Ihren, sagen wir, siebzig Händen werden noch siebenhundert unsichtbare Hände mitarbeiten. Alles verzehnfacht sich. Und wenn ich bei mir jetzt keinen Finger rühre, es würde alles von selbst seinen richtigen Gang nehmen. Ja, die Natur verlangt, daß man Geduld habe; das ist ein Gesetz, das Gott selbst gegeben hat, wenn er die Langmütigen selig pries.«
    »Wenn man Ihnen zuhört, fühlt man seine Kraft wachsen, seinen Mut steigen.«
    »Nun sehen Sie bloß, wie das Land da gepflügt ist!« rief Kostanschoglo mit

Weitere Kostenlose Bücher