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Die toten Seelen: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Die toten Seelen: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Titel: Die toten Seelen: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nikolai Gogol
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Restaurants mit wahnsinnigen Preisen und Maskenbälle und Lustpartien und Tanzfeste und Zigeunerinnen? Es ist schwer, sich zurückzuhalten, wenn alle um einen herum dasselbe tun und auch die Mode es befiehlt; da halte sich einmal einer zurück! Tschitschikow hätte schon wegfahren sollen; aber die Wege waren in gar zu schlechtem Zustande. Unterdessen begann in der Stadt eine zweite Messe, die eigentliche adelige Messe. Die erste Messe war mehr ein Jahrmarkt gewesen, auf welchem Pferde, Vieh, Rohprodukte und allerlei Bauernware von den Viehhändlern und Aufkäufern gekauft wurden. Jetzt aber brachten die Kaufleute alles her, was sie auf der Messe in Nischni-Nowgorod von feineren Artikeln eingekauft hatten. So war denn eine Menge jener Leute herbeigekommen, die sich darauf verstehen, die russischen Geldbörsen leerzumachen, Franzosen mit Pomaden und Französinnen mit Hüten, Leute, die das mit saurem Schweiß erworbene russische Geld wegschleppen, diese ägyptischen Heuschrecken, wie sich Kostanschoglo ausdrückte, die nicht nur alles abfressen, sondern auch ihre in die Erde vergrabenen Eier zurücklassen.
    Nur die Mißernte und die unheilvolle Viehseuche hielten viele Gutsbesitzer auf dem Lande zurück. Dafür griffen die Beamten, die von Mißernten nichts wissen, um so tiefer in die Tasche, und ihre Frauen taten leider dasselbe. Da sie allerlei Bücher gelesen hatten, die in der letzten Zeit erschienen waren, um der Menschheit alle möglichen neuen Bedürfnisse einzupflanzen, so hatten sie eine wahre Gier danach, alle diese neuen Genüsse kennenzulernen. Da hatte z.B. ein Franzose ein neues Etablissement eröffnet, ein Gartenlokal, wie es bisher in der Provinz noch nicht bekannt gewesen war; man könnte dort angeblich zu außerordentlich billigem Preise soupieren, und es wurde einem sogar noch die Hälfte des Preises kreditiert. Dies war ausreichend, um zu bewirken, daß nicht nur die Tischvorsteher bei den Behörden, sondern auch alle ihnen unterstellten Beamten in Hoffnung auf die Geldgeschenke, die ihnen die Bittsteller künftig geben würden, sich einfanden. Reichere Leute wünschten auf der Messe voreinander mit ihren Wagen, Pferden und Kutschern zu prunken. Hier fanden sich verschiedene Gesellschaftsschichten zum Zwecke des Vergnügens zusammen. Trotz des greulichen Schlackerwetters und Schmutzes flogen elegante Equipagen hin und her. Woher sie eigentlich kamen, das mochte Gott wissen; aber sie hätten sich auch in Petersburg sehen lassen können. Die Kaufleute und Kommis lüfteten gewandt die Hüte und luden die vorbeigehenden Damen ein, näherzutreten. Nur selten sah man großbärtige Kaufleute mit Pelzmützen; die meisten hatten ein westeuropäisches Aussehen mit rasiertem Kinn und – stockigen Zähnen.
    »Ist’s gefällig? Ist’s gefällig? Bitte, treten Sie in den Laden! Mein Herr, mein Herr!« riefen hier und dort die jungen Kommis. »Hier sind Stoffe in allen Farben, hell und dunkel!«
    Aber die Angerufenen, welche die westeuropäische Manier kannten, blickten geringschätzig nach ihnen hin.
    »Haben Sie preiselbeerfarbenes Tuch mit hellen Tüpfelchen?« fragte Tschitschikow einen in der Tür seines Ladens stehenden Kaufmann.
    »Ganz vorzügliche Tuche«, erwiderte der Kaufmann, indem er mit der einen Hand den Hut lüftete und mit der anderen einladend auf den Laden wies. Tschitschikow trat ein. Geschickt hob der Kaufmann ein Brett im Ladentisch in die Höhe, schlüpfte durch die entstandene Öffnung und befand sich nun auf der anderen Seite des Ladentisches, mit dem Rücken nach den Waren zu, die ein Stück auf dem andern von unten bis zur Decke aufgeschichtet waren, und mit dem Gesichte nach dem Käufer hin. Sich gewandt auf beide Arme stützend und sich auf ihnen leicht mit dem ganzen Oberkörper hin und her wiegend, sagte er: »Was für Tuche befehlen Sie?«
    »Oliven- oder flaschengrün mit glänzenden Tüpfelchen, sozusagen mit Annäherung an Preiselbeerfarbe«, erwiderte Tschitschikow.
    »Ich kann Ihnen versichern, daß Sie allerbeste Qualität erhalten; etwas noch Besseres dürfte nur in den hochzivilisierten Hauptstädten zu finden sein! Bursche! Gib einmal das Stück Tuch herunter, das da als Nummer 34 liegt! Nicht das, mein Lieber, das andere! Wirf es her! Das ist einmal ein Stoff!« Und ihn vom einen Ende her aufrollend, hielt ihn der Kaufmann seinem Kunden dicht unter die Nase, so daß dieser den seidigen Glanz nicht nur mit der Hand fühlte, sondern auch mit der Nase riechen

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