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Die toten Seelen: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Die toten Seelen: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Titel: Die toten Seelen: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nikolai Gogol
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Grobheiten geantwortet.«
    »Du hättest selbst hinfahren und es ihm auseinandersetzen sollen. Sprich doch selbst mit ihm!«
    »Nein, das mag ich nicht. Er ist doch gar zu hochnäsig. Ich fahre nicht zu ihm. Fahr du doch selbst hin, wenn du Lust hast!«
    »Ich würde hinfahren, aber ich mische mich grundsätzlich nicht in Dinge, die ich nicht ordentlich verstehe. Er kann mich da zu leicht betrügen und übervorteilen.«
    »Nun, wenn es Ihnen recht ist, so bin ich bereit, hinzufahren«, sagte Tschitschikow. »Setzen Sie mir nur die Sache auseinander.«
    Wasili sah ihn an und dachte: »Dem muß wohl das Herumkutschieren besondere Freude machen.«
    »Geben Sie mir nur eine Vorstellung davon, was für eine Art von Mensch er ist«, fuhr Tschitschikow fort, »und um was es sich handelt.«
    »Ich geniere mich, Ihnen einen so unangenehmen Auftrag aufzubürden. An dem Menschen ist meines Erachtens nichts dran: er gehört zum kleinen Adel unseres Gouvernements, hat in Petersburg dadurch Karriere gemacht, daß er Gott weiß wessen uneheliche Tochter geheiratet hat, und bildet sich nun Wunder was ein. Er möchte hier den Ton angeben. Aber wir sind hier auch kein so dummes Völkchen: die Mode gilt uns nicht als Gesetz, und einen heiligen Respekt vor Petersburg haben wir auch nicht.«
    »Das ist ja auch nur natürlich«, erwiderte Tschitschikow. »Nun, und wie hängt die Sache zusammen?«
    »Sehen Sie, er braucht ja wirklich Land. Und wenn er sich nicht so benommen hätte, so hätte ich ihm gern an einer anderen Stelle ein Stück umsonst überlassen, besseres als dieses Hochland. Aber jetzt könnte dieser zänkische Mensch denken, ich hätte mich einschüchtern lassen.«
    »Meiner Ansicht nach wird es das beste sein, mündlich mit ihm zu verhandeln; vielleicht läßt sich die Sache gütlich erledigen. Es haben mich auch schon andere mit derartigen Angelegenheiten betraut und es nicht zu bereuen gehabt. So zum Beispiel gleich General Betrischtschew.«
    »Aber ich geniere mich, daß Sie mit einem solchen Menschen unterhandeln sollen.«
[Lücke im Manuskript. Hinter ihr finden wir Tschitschikow bereits im Gespräch mit Ljenizyn.].
    »… und besonders, wenn man darauf bedacht ist, die Sache geheimzuhalten,« sagte Tschitschikow, »denn Schaden bringt nicht sowohl die Gesetzesübertretung als das dadurch erregte Ärgernis.«
    »Ja, ganz richtig, ganz richtig,« erwiderte Ljenizyn und neigte dabei den Kopf ganz auf die Seite.
    »Wie angenehm ist es doch, wenn man jemand trifft, der die gleiche Anschauungsweise hat!« bemerkte Tschitschikow. »Ich persönlich habe da noch eine Angelegenheit, die gesetzlich und zugleich ungesetzlich ist; anscheinend ist sie ungesetzlich, in Wirklichkeit aber gesetzlich. Ich möchte eine Hypothek auf jemandes Bauern aufnehmen und könnte dem Besitzer für die Erlaubnis, seine lebenden Seelen zu verpfänden, pro Stück zwei Rubel zahlen; aber ich möchte niemandem das damit verbundene große Risiko zumuten. Denn wenn es mir passieren sollte, Konkurs zu machen (was Gott verhüte!), so käme der Besitzer in eine unangenehme Lage. Daher habe ich mich dafür entschieden, die entlaufenen und gestorbenen Bauern, die in den Revisionslisten noch nicht gestrichen sind, dazu zu benutzen, um damit zugleich ein christliches Werk zu tun und dem armen Besitzer die drückende Zahlung der Abgaben für sie abzunehmen. Wir schließen dann nämlich miteinander einen regulären Kaufkontrakt ab, wie über lebende Seelen.«
    »Das ist aber doch höchst sonderbar«, dachte Ljenizyn und rückte mit seinem Stuhle ein wenig zurück. Und laut begann er: »Aber die Sache ist doch eine derartige …«
    »Es wird kein Ärgernis daraus entstehen, weil ja alles geheim bleibt«, erwiderte Tschitschikow, »und weil beide Parteien anständige Männer sind.«
    »Ja, aber trotzdem ist die Sache einigermaßen bedenklich.«
    »Ärgernis kann nicht daraus entstehen«, versetzte Tschitschikow mit durchaus offener, ehrlicher Miene. »Denn, wie schon eben gesagt, die Vertragschließenden sind anständige Männer, in gesetzten Jahren, von achtbarer Stellung und imstande, ein Geheimnis zu bewahren.« Bei diesen Worten blickte er ihm mit Offenheit und vornehmem Anstande ins Gesicht.
    Obwohl Ljenizyn eine große Gewandtheit und viel Erfahrung in geschäftlichen Manipulationen besaß, war er doch augenblicklich ganz verblüfft, um so mehr, da er sich eigentümlicherweise sozusagen in sein eigenes Netz verwickelt hatte. Er war überhaupt keiner

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