Die toten Seelen: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)
wie Brauselimonaden. Nachdem er die Karaffen hingestellt hatte, ergriff er einen Spaten, der an einem Baume stand, und ging in den Garten. Die Gebrüder Platonow hielten ebenso wie ihr Schwager Kostanschoglo keine eigentlichen Diener: dies waren sämtlich Gärtner, und alle Gutsleute versahen diese Obliegenheiten umschichtig. Bruder Wasili behauptete immer, Diener sei kein besonderer Beruf: jemandem etwas hinreichen, das könne jeder, und es lohne nicht, dafür besondere Leute zu halten; der Russe sei nur so lange brav und flink und fleißig, als er in Hemd und Kittel gehe; so er einen deutschen Rock anziehe, werde er sofort ungeschickt, langsam und faul, wechsele sein Hemd nicht mehr, höre ganz auf, ins Schwitzbad zu gehen, und schlafe im Rocke; und in dem deutschen Rocke niste sich bei ihm eine Unmenge von Wanzen und Flöhen ein. Darin hatte er vielleicht recht. In dem Platonowschen Dorfe gingen die Leute besonders fein gekleidet: der Kopfputz der Frauen strotzte von Gold, und die gestickten Hemdärmel sahen aus wie die Kanten türkischer Schaltücher.
»Das sind Limonaden, durch die unser Haus seit langer Zeit berühmt ist«, sagte Bruder Wasili.
Tschitschikow goß sich aus der ersten Karaffe ein Glas ein: es war ein vorzüglicher Lindenmet, wie er ihn manchmal in Polen getrunken hatte; er moussierte wie Champagner, und die Kohlensäure stieg ihm mit angenehmem Prickeln vom Munde in die Nase. »Der reine Nektar!« sagte er. Er trank ein Glas aus einer anderen Karaffe: es schmeckte noch besser.
»Ein ideales Getränk!« sagte Tschitschikow. »Ich kann sagen, daß ich bei Ihrem hochverehrten Schwager Konstantin Fjodorowitsch den besten Likör getrunken habe und bei Ihnen die beste Limonade.«
»Aber der Likör stammt ja ebenfalls aus unserer Familie; den hat unsere Schwester da eingeführt. Nach welcher Seite und nach welchen Orten beabsichtigen Sie denn zu reisen?« fragte Bruder Wasili.
»Ich reise«, erwiderte Tschitschikow, indem er sich vorbeugte, sich auf der Bank ein wenig hin und her schaukelte und sich mit der Hand über die Knie strich, »sowohl in meinen eigenen Angelegenheiten als im Interesse eines anderen. Der General Betrischtschew, ein guter Freund von mir und, ich kann sagen, mein Wohltäter, hat mich gebeten, seine Verwandten zu besuchen. Diese Besuche bei seinen Verwandten sind ja allerdings mein Hauptzweck; aber zum Teil reise ich sozusagen auch um meiner selbst willen. Ich will gar nicht einmal von dem Nutzen reden, den das Reisen in bezug auf die Hämorrhoiden haben kann; aber die Welt zu sehen und das Treiben der Menschen kennenzulernen, das ist an und für sich sozusagen ein lebendiges Buch, eine Art Wissenschaft.«
Bruder Wasili wurde nachdenklich. »Dieser Mensch spricht ja etwas hochtrabend; aber es liegt in seinen Worten doch etwas Wahres«, dachte er. Nach einem kurzen Stillschweigen sagte er, sich zu Platon wendend: »Ich fange an zu glauben, Platon, daß die Reise dich vielleicht wirklich aufrütteln wird. Die Krankheit, an der du leidest, ist nichts anderes als eine seelische Schlafsucht. Du bist einfach eingeschlafen, und zwar nicht aus Übersättigung oder Ermüdung, sondern aus Mangel an lebhaften Gefühlen und Empfindungen. Bei mir dagegen ist das reine Gegenteil der Fall. Ich würde wünschen, daß ich nicht so lebhaft empfände und mir nicht alles, was vorfällt, so zu Herzen nähme.«
»Wer heißt dich, es dir so zu Herzen nehmen?« versetzte Platon. »Du suchst dir förmlich Gründe zur Beunruhigung und schaffst dir selbst Aufregungen.«
»Von Schaffen ist nicht die Rede, wenn einem auch ohnedies auf Schritt und Tritt Unannehmlichkeiten begegnen«, sagte Wasili. »Hast du gehört, was für einen Streich uns in deiner Abwesenheit Ljenizyn gespielt hat? Er hat sich das Stück Heideland angeeignet, wo wir immer das Frühlingsfest feiern. Erstens gebe ich dieses Stück Heideland um kein Geld in der Welt her. Da begehen meine Bauern alljährlich das Frühlingsfest; mit diesem Platze sind die Erinnerungen des Dorfes verknüpft; und für mich ist eine solche hergebrachte Sitte etwas Heiliges, und ich bin bereit, für sie jedes Opfer zu bringen.«
»Er weiß das alles nicht; darum wird er das Land in Besitz genommen haben«, versetzte Platon. »Er ist hier noch fremd, ist soeben erst aus Petersburg angekommen. Man muß ihm die Sache auseinandersetzen und klarmachen.«
»Er weiß das alles, weiß es sehr gut. Ich habe hingeschickt und es ihm sagen lassen; aber er hat mir mit
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