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Die toten Seelen: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Die toten Seelen: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Titel: Die toten Seelen: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nikolai Gogol
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unrechtmäßigen Handlung fähig und mochte auch im geheimen nichts Unrechtmäßiges tun. »Was für eine erstaunliche Idee!« dachte er bei sich. »Selbst mit ordentlichen Menschen darf man nicht intim werden! Eine tolle Geschichte!«
    Aber das Schicksal und die Umstände schienen Tschitschikows Vorgehen zu begünstigen. Wie um bei dieser schwierigen Angelegenheit hilfreich zu sein, trat die junge Hausfrau, Ljenizyns Gattin, ins Zimmer, eine blasse, magere, kleine Dame, die sich aber nach Petersburger Mode kleidete und gern mit Leuten comme il faut verkehrte. Hinter ihr kam die Amme, die auf dem Arme den kleinen Stammhalter trug, die Frucht der zärtlichen Liebe der noch nicht lange ehelich Verbundenen. Durch seinen geschickten, leicht hüpfenden Gang und seine schräge Kopfhaltung bezauberte Tschitschikow die Petersburger Dame vollständig, und bald darauf gelang es ihm, auch den Kleinen in Entzücken zu versetzen. Zuerst wollte dieser allerdings losbrüllen; aber durch die Worte: »Lache doch, lache doch, mein Herzchen!« und durch Schnipsen mit den Fingern und durch die Schönheit eines an seiner Uhrkette hängenden Karneolpetschafts brachte Tschitschikow es fertig, ihn zu sich auf seinen Arm herüberzulocken. Dann begann er, ihn bis an die Zimmerdecke hinaufzuheben, und rief dadurch bei dem Kinde ein freundliches Lächeln hervor, über das die beiden Eltern sich außerordentlich freuten. Aber mochte es nun von dem plötzlichen Vergnügtsein herkommen oder einen anderen Grund haben, genug, der Kleine führte sich auf einmal recht übel auf.
    »O Gott, o Gott!« rief Frau Ljenizyna. »Er hat Ihnen den ganzen Frack verdorben!«
    Tschitschikow blickte hin: der Ärmel des funkelnagelneuen Fracks war total verdorben! »Hol dich der Teufel, du kleiner Racker!« dachte er im stillen.
    Der Hausherr, die Hausfrau, die Amme, alle holten sie eilig Eau de Cologne; von allen Seiten machten sie sich eifrig daran, den Ärmel abzuwischen.
    »Das tut nichts, das tut nichts, das tut ja gar nichts!« sagte Tschitschikow und bemühte sich, so viel wie irgend möglich seinem Gesichte einen heiteren Ausdruck zu verleihen. »Kann denn überhaupt ein Kindchen in diesem goldenen Lebensalter etwas verderben?« Solcher Wendungen wiederholte er viele; aber gleichzeitig dachte er: »Du kleines Biest, die Wölfe sollten dich fressen; du hast mich schön zugerichtet, du verdammte Kanaille!«
    Aber dieser anscheinend bedeutungslose Vorfall stimmte den Hausherrn ganz zugunsten der geschäftlichen Angelegenheit, die ihm Tschitschikow vorgetragen hatte. Wie konnte er einem Gaste eine abschlägige Antwort geben, der mit seinem Jüngelchen so allerliebst geschäkert und dies mit der so großmütig ertragenen Beschädigung seines eigenen Fracks gebüßt hatte? Um kein schlechtes Beispiel zu geben, beschlossen sie, die Geschäftsangelegenheit geheim zu behandeln; denn nicht sowohl die Sache selbst als das dadurch erregte Ärgernis konnte Schaden bringen.
    »Erlauben Sie nun auch mir, zum Danke für Ihre Gefälligkeit Ihnen ebenfalls einen kleinen Dienst zu leisten. Ich möchte gern als Vermittler in Ihrem Zwiste mit den Gebrüdern Platonow fungieren. Sie brauchen doch Land, nicht wahr? …«
[Hier fehlt sehr viel. Unter anderem fälscht Tschitschikow nach dem Tode der Tante Chlobujews ein Testament derselben zugunsten ihres angeblichen Verwandten Ljenizyn, der inzwischen Gouverneur geworden ist, und läßt es von einer Frau, die die Rolle der Sterbenden spielt, unterschreiben. Zu Beginn der folgenden Erzählung befindet er sich in einer Gouvernementsstadt auf der Messe und bereichert sich in ungesetzlicher Weise.]

Fünftes Kapitel
    Jeder Mensch in der Welt ist auf seinen Vorteil bedacht. »Wer mich begaunert, den begaunere ich wieder«, sagt ein Sprichwort. Tschitschikows Manipulationen waren erfolgreich gewesen, so daß gar manches aus fremden Geldkisten in seine eigene Schatulle herübergewandert war. Kurz, es war alles mit Klugheit und Umsicht durchgeführt worden. Tschitschikow stahl nicht eigentlich, aber er suchte überall Profit zu machen. Und das tut ja eigentlich jeder von uns: der eine macht seinen Schnitt bei fiskalischem Holz, ein anderer bei der Verwaltung von Staatsgeldern; ein anderer bestiehlt seine eigenen Kinder, um sich mit einer zugereisten Schauspielerin zu amüsieren; ein anderer schindet seine Bauern, um sich teure Möbel und Equipagen anzuschaffen. Was soll man machen, wenn es auf der Welt so viele Verlockungen gibt: teure

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