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Die toten Seelen: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Die toten Seelen: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Titel: Die toten Seelen: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nikolai Gogol
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überhaupt nicht.
    »Aber wenigstens kennen Sie doch Herrn Manilow?« fragte Tschitschikow.
    »Was ist dieser Manilow?«
    »Ein Gutsbesitzer, Mütterchen.«
    »Nein, ich habe nicht von ihm gehört; so einen Gutsbesitzer gibt es nicht.«
    »Was gibt es denn hier für welche?«
    »Bobrow, Swinjin, Kanapatjew, Charpakin, Trepakin, Pleschakow.«
    »Sind das reiche Leute oder nicht?«
    »Nein, Väterchen, besonders reich sind sie nicht. Der eine hat zwanzig Seelen, der andere dreißig; aber solche, die hundert Seelen hätten, gibt es hier nicht.«
    Tschitschikow merkte, daß er in eine gottverlassene Gegend gekommen war.
    »Wenigstens werden Sie mir sagen können, ob es weit nach der Stadt ist?«
    »Es werden etwa sechzig Werst sein. Wie leid tut es mir, daß ich Ihnen nichts zu essen geben kann! Wollen Sie nicht Tee trinken, Väterchen?«
    »Ich danke, Mütterchen. Ich habe nichts nötig als ein Bett.«
    »Allerdings, nach einer solchen Fahrt hat man Erholung nötig. Hier können Sie sich lagern, Väterchen, hier auf diesem Sofa. He, Fetinja, bring ein Federbett, ein paar Kissen und ein Laken! Was für ein Wetter hat uns Gott da gesandt: so ein Gewitter – ich habe die ganze Nacht ein Licht vor dem Heiligenbilde brennen lassen. Ach, Väterchen, Ihr ganzer Rücken und Ihre ganze eine Seite sind ja so schmutzig wie bei einem Schweine; wo haben Sie sich denn so vollgeschmiert?«
    »Ich kann noch Gott danken, daß ich mich nur vollgeschmiert und mir nicht alle Rippen zerbrochen habe.«
    »All ihr Heiligen, was für ein Unglück! Aber wollen Sie sich nicht den Rücken mit etwas einreiben?«
    »Danke, danke! Machen Sie keine Umstände, sondern befehlen Sie nur Ihrem Mädchen, meine Kleider zu trocknen und zu reinigen!«
    »Hörst du, Fetinja«, sagte die Hausherrin, sich zu derjenigen Frauensperson wendend, die mit dem Lichte auf die Freitreppe hinausgekommen war, jetzt schon ein Federbett angeschleppt brachte und dadurch, daß sie es mit den Armen von beiden Seiten zusammendrückte, eine wahre Überschwemmung des Zimmers mit Federn hervorrief. »Nimm den Rock des Herrn nebst den Beinkleidern und trockne sie zuerst am Feuer, wie du es bei dem seligen Herrn zu machen pflegtest, und dann reibe den Schmutz heraus und klopfe sie ordentlich!«
    »Sehr wohl, gnädige Frau!« sagte Fetinja, die gerade ein Laken über das Federbett deckte und die Kissen zurechtlegte.
    »Na, sehen Sie, nun ist das Bett für Sie fertig«, sagte die Hausherrin. »Gute Nacht, Väterchen; schlafen Sie wohl! Wünschen Sie noch irgend etwas? Vielleicht sind Sie gewöhnt, Väterchen, daß Ihnen jemand zur Nacht die Fersen kratzt? Mein Seliger konnte ohne das nie einschlafen.«
    Aber der Gast lehnte auch das Kratzen der Fersen ab. Die Hausherrin ging hinaus, und er beeilte sich sogleich, sich zu entkleiden, wobei er Fetinja die gesamten ausgezogenen Kleider, sowohl das Oberzeug wie das Unterzeug, hingab; diese wünschte ihm ebenfalls gute Nacht und nahm die nassen Sachen mit sich hinaus. Als er allein geblieben war, betrachtete er nicht ohne Vergnügen sein Bett, das fast bis an die Zimmerdecke reichte. Fetinja verstand sich offenbar meisterhaft auf die Herrichtung eines Bettes. Als er mittels eines herangestellten Stuhles auf das Bett hinaufgestiegen war, sank dieses unter der Last seines Körpers tief zusammen, und die aus ihrer Umhüllung herausgedrängten Federn flogen nach allen Ecken des Zimmers auseinander. Er löschte die Kerze aus, zog die baumwollene Bettdecke über sich, rollte sich unter ihr wie ein Kringel zusammen und schlief sofort ein. Er erwachte am anderen Morgen erst ziemlich spät. Die Sonne strahlte ihm durch das Fenster gerade in die Augen, und die Fliegen, die gestern ruhig an den Wänden und an der Decke geschlafen hatten, wendeten sich nun alle zu ihm: eine setzte sich ihm auf die Lippe, eine andere an das Ohr, eine dritte schien sich ihm geradezu auf das eine Auge setzen zu wollen; diejenige, die die Unvorsichtigkeit hatte, sich in der Nähe des einen Nasenloches hinzusetzen, zog er im Halbschlaf in die Nase hinein, was ihn veranlaßte, kräftig zu niesen, ein Vorgang, der die Ursache seines Aufwachens bildete. Als er seinen Blick durch das Zimmer schweifen ließ, bemerkte er jetzt, daß nicht auf allen Bildern Vögel dargestellt waren; es hing darunter auch ein Porträt Kutusows und das Ölgemälde eines alten Herrn in Uniform mit roten Aufschlägen, wie man sie unter der Regierung des Kaisers Pawel Petrowitsch getragen hatte. Die

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