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Die toten Seelen: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Die toten Seelen: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Titel: Die toten Seelen: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nikolai Gogol
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aber eben das macht mich bedenklich, daß sie schon tot sind.«
    »Nein, die hat wirklich ein Brett vor dem Kopf!« sagte Tschitschikow bei sich, der schon anfing, die Geduld zu verlieren. »Mit der soll mal einer zurechtkommen! Ganz in Schweiß hat sie mich gebracht, die verdammte Alte!« Er zog das Taschentuch heraus und wischte sich den Schweiß ab, der ihm tatsächlich auf die Stirn getreten war. Übrigens ärgerte sich Tschitschikow mit Unrecht: gar mancher geachtete Mann, ja mancher Staatsmann benimmt sich in der Tat genau wie Frau Korobotschka. Wenn so einer sich etwas in den Kopf gesetzt hat, so ist er auf keine Weise herumzubekommen; man mag ihm noch so viele sonnenklare Gründe anführen, alles prallt von ihm ab, wie ein Gummiball von der Wand zurückspringt. Nachdem Tschitschikow sich den Schweiß abgewischt hatte, beschloß er zu versuchen, ob er sie von einer anderen Seite her auf den richtigen Weg bringen könne.
    »Mütterchen«, sagte er, »entweder wollen Sie meine Worte nicht verstehen, oder Sie reden absichtlich so, um überhaupt etwas zu sagen … Ich gebe Ihnen fünfzehn Rubel in Banknoten – verstehen Sie? Das ist Geld. Das finden Sie nicht auf der Straße. Nun, sagen Sie einmal offen: wie teuer haben Sie den Honig verkauft?«
    »Für zwölf Rubel das Pud.«
    »Da haben Sie eine kleine Sünde auf Ihr Gewissen geladen, Mütterchen. Für zwölf Rubel werden Sie ihn nicht verkauft haben.«
    »Bei Gott, so habe ich ihn verkauft.«
    »Na, sehen Sie wohl? Also für den Preis haben Sie den Honig verkauft. Sie haben ihn vielleicht in einem ganzen Jahre mit Sorge, Mühe und Arbeit zusammengebracht; Sie sind hin und her gefahren, haben den Bienen das Leben schwer gemacht, haben sie im Keller den ganzen Winter über gefüttert; aber tote Seelen, das sind nicht Dinge von dieser Welt. Da haben Sie Ihrerseits keine Arbeit hineingesteckt: es war Gottes Wille, daß sie diese Welt verließen und Ihrer Wirtschaft dadurch Schaden zufügten. Dort erhielten Sie für Ihre Mühe und Anstrengung zwölf Rubel; hier bekommen Sie für nichts, ohne jede Bemühung, nicht zwölf, sondern fünfzehn Rubel, und nicht in Silber, sondern in lauter blauen Scheinen.« Nach so kräftigem Zureden zweifelte Tschitschikow kaum noch daran, daß die Alte endlich nachgeben werde.
    »Wirklich«, antwortete die Gutsbesitzerin, »ich bin als unerfahrene Witwe in einer üblen Lage! Das beste ist wohl, ich warte noch ein bißchen; vielleicht kommen Kaufleute her, dann will ich mich nach den Preisen erkundigen.«
    »Es ist eine Schande, Mütterchen, eine Schande, geradezu eine Schande! Na, was reden Sie da, sagen Sie selbst! Wer wird sie Ihnen abkaufen? Na, was kann jemand von ihnen für Gebrauch machen?«
    »Vielleicht lassen sie sich in der Wirtschaft gelegentlich irgendwie verwenden …«, erwiderte die Alte, beendete aber ihre Antwort nicht, sondern blickte ihn mit offenem Munde, beinahe ängstlich an, als wenn sie gern wissen möchte, was er nun darauf sagen werde.
    »Tote in der Wirtschaft! Was für ein Gedanke! Vielleicht um nachts die Sperlinge in Ihrem Gemüsegarten zu erschrecken, wie?«
    »Gott steh mir bei! Was reden Sie da für schreckliche Dinge!« rief die Alte und bekreuzte sich.
    »Was wollten Sie denn sonst noch mit ihnen anfangen? Übrigens, die Knochen und die Gräber, das wird ja alles bei Ihnen bleiben; die Übertragung findet nur auf dem Papier statt. Na, also wie ist’s? Wie steht’s? Antworten Sie wenigstens!«
    Die Alte überlegte von neuem.
    »Woran denken Sie, Nastasja Petrowna?«
    »Wirklich, ich weiß gar nicht, wie ich mich dazu stellen soll; lieber werde ich Ihnen den Hanf verkaufen.«
    »Aber was soll hier der Hanf? Ich bitte Sie; ich ersuche Sie um etwas ganz anderes, und Sie bieten mir Hanf an! Der Hanf ist eine Sache für sich; wenn ich wieder einmal herkomme, werde ich auch Hanf nehmen. Also wie denn nun, Nastasja Petrowna?«
    »Weiß Gott, es ist eine so seltsame, ganz unerhörte Ware!«
    Hier verlor nun Tschitschikow wirklich alle Geduld, stieß ärgerlich mit dem Stuhl auf den Fußboden und wünschte sie zum Teufel.
    Über das Wort »Teufel« erschrak die Gutsbesitzerin gewaltig. »Ach, nennen Sie den nicht! Lassen Sie den aus dem Spiel!« rief sie; sie war ganz blaß geworden. »Erst vorgestern habe ich die ganze Nacht von dem Bösen geträumt. Ich hatte mir beikommen lassen, zur Nacht noch nach dem Gebet mir Karten zu legen, und da hat ihn Gott offenbar zur Strafe zu mir gesandt. In so garstiger

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