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Die toten Seelen: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Die toten Seelen: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Titel: Die toten Seelen: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nikolai Gogol
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angekrochen.«
    »Du lügst, du lügst; es ist dir gar nicht eingefallen, ihn zu kämmen; ich glaube, du Dummkopf, du hast ihm noch deine eigenen Flöhe anhüpfen lassen. Da, sieh mal, Tschitschikow, sieh mal, was er für Ohren hat; da, fühl mal mit der Hand!«
    »Wozu? Ich sehe es auch so schon: es ist eine gute Rasse!« antwortete Tschitschikow.
    »Nein, fühle nur mal expreß die Ohren an!«
    Ihm zu Gefallen fühlte Tschitschikow die Ohren an und sagte dabei: »Ja, es wird ein guter Hund werden.«
    »Und die Nase, spürst du wohl, wie kalt sie ist? Fühle mal mit der Hand!« Um ihn nicht zu kränken, faßte Tschitschikow auch die Nase an und sagte: »Eine gute Witterung!«
    »Ein echter Bullenbeißer«, fuhr Nosdrew fort, »ich muß gestehen, nach einem Bullenbeißer hat mir immer schon der Mund gewässert. Da, Porfiri! Trag ihn wieder weg!«
    Porfiri faßte den Hund unter den Bauch und trug ihn in die Britschke.
    »Hör mal, Tschitschikow, du mußt jetzt unbedingt zu mir fahren; es sind nur fünf Werst; wir fahren im Galopp hin, und nachher kannst du meinetwegen auch zu Sobakewitsch.«
    »In Gottes Namen«, dachte Tschitschikow bei sich, »dann will ich nur wirklich zu Nosdrew heranfahren. Worin ist er denn auch schlechter als andere? Er ist ganz ebenso ein Mensch, und dann hat er auch noch im Spiel verloren. Er ist, wie man sieht, zu allem zu gebrauchen; da kann ich vielleicht von ihm etwas für umsonst erlangen.« – »Nun gut, fahren wir!« sagte er, »aber suche mich nur ja nicht zu lange festzuhalten. Meine Zeit ist kostbar.«
    »Na, mein Herzchen, das ist recht! Das ist ja schön! Warte mal, dafür werde ich dir einen Kuß geben.« Hier küßten sich Nosdrew und Tschitschikow. »Das ist ja prächtig: nun fahren wir zu dreien!«
    »Nein, erlaube, daß ich mich nun von dir trenne«, sagte der Blonde. »Ich muß nach Hause.«
    »Unsinn, Schwager, Unsinn! Ich lasse dich nicht weg.«
    »Wirklich, meine Frau wird böse werden; jetzt kannst du ja in die Britschke dieses Herrn umsteigen.«
    »Nein, nein, nein, daraus wird nichts.«
    Der Blonde war einer jener Menschen, in deren Charakter auf den ersten Blick eine gewisse Hartnäckigkeit zu liegen scheint. Kaum hat man den Mund aufgetan, da sind sie auch schon bereit zu streiten, und es scheint, daß sie nie in etwas willigen werden, was mit ihren Grundsätzen im Widerspruch steht, nämlich niemals etwas Dummes klug zu nennen und niemals nach einer fremden Pfeife zu tanzen; aber die Sache endet immer damit, daß ihr Charakter sich als sanft und weich erweist und sie gerade in das willigen, dessen sie sich geweigert haben: sie nennen nun doch das Dumme klug und tanzen nach einer fremden Pfeife, wie man es nur wünschen kann; kurz, auf den kräftigen Anfang folgt ein schwächliches Ende.
    »Dummes Zeug!« versetzte Nosdrew auf eine weitere Einwendung des Blonden, setzte ihm die Mütze auf den Kopf, und der Blonde folgte ihnen nach.
    »Sie haben das Schnäpschen noch nicht bezahlt, gnädiger Herr …«, sagte die Alte.
    »Ah, schön, schön, Mütterchen. Hör mal, lieber Schwager, bitte, bezahle du! Ich habe keine Kopeke in der Tasche.«
    »Wieviel bekommst du?« fragte der Schwager.
    »Eine Kleinigkeit, Väterchen. Nur zwanzig Kopeken Silber«, erwiderte die Alte.
    »Du lügst, du lügst. Gib ihr zehn; da hat sie völlig genug.«
    »Es ist ein bißchen wenig, gnädiger Herr«, sagte die Alte; sie nahm indes das Geld mit Dank hin und lief noch geschäftig voran, um ihnen die Tür zu öffnen. Sie hatte keinen Schaden gemacht; denn sie hatte das vierfache von dem gefordert, was der Schnaps wert war.
    Die Reisenden hatten in den Wagen Platz genommen. Tschitschikows Britschke fuhr neben der Britschke, in welcher Nosdrew und sein Schwager saßen, und daher konnten sie sich alle drei unterwegs ungehindert unterhalten. Hinter ihnen her fuhr, alle Augenblicke anhaltend, Nosdrews kleines Wägelchen mit den abgemagerten Bauernpferden. In diesem saß Porfiri mit dem Hündchen.
    Da das Gespräch, das die Reisenden miteinander führten, für den Leser kein besonderes Interesse hat, so tun wir besser, wenn wir etwas über Nosdrew selbst sagen, der in unserer Geschichte vielleicht eine nicht unbedeutende Rolle spielen wird.
    Der Typus Nosdrews ist dem Leser gewiß schon einigermaßen bekannt. Jedermann begegnet solchen Leuten in nicht geringer Zahl. Sie werden forsche Kerle genannt, gelten schon in der Kindheit und auf der Schule für gute Kameraden, bekommen aber trotzdem nicht

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