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Die toten Seelen: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Die toten Seelen: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Titel: Die toten Seelen: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nikolai Gogol
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besaß auf vielen Gebieten eine große Gewandtheit. In ein und demselben Augenblicke erbot er sich jemandem gegenüber, mit ihm mitzureisen, wohin dieser Lust habe, selbst bis ans Ende der Welt, sich an einem beliebigen großen Geschäfte zu beteiligen, alles mögliche gegen alles, was dieser wolle, zu vertauschen. Eine Flinte, ein Hund, ein Pferd, alles war für ihn ein Tauschgegenstand; aber er hatte dabei durchaus nicht die Absicht zu gewinnen, sondern das ging bei ihm einfach aus einer rastlosen Beweglichkeit und Lebhaftigkeit des Charakters hervor. Wenn es ihm auf dem Jahrmarkte gelang, einen Neuling in die Finger zu bekommen und gehörig auszuplündern, so kaufte er einen Haufen von allen möglichen Dingen, die ihm in den Läden vor Augen kamen: Kumte, Räucherkerzchen, einen Hengst, Rosinen, ein silbernes Waschbecken, holländische Leinwand, feines Mehl, Tabak, Pistolen, Heringe, Bilder, Schleifinstrumente, Töpfe, Stiefel, Fayencegeschirr – soweit das Geld reichte. Übrigens kam es nur selten vor, daß diese Dinge zu ihm nach Hause gelangten; oft ging alles noch an demselben Tage in die Hände eines anderen, glücklicheren Spielers über, manchmal dazu auch noch seine eigene Pfeife, nebst dem Tabaksbeutel und dem wertvollen Mundstück, und ein andermal sogar sein ganzes Viergespann nebst allem, was dazu gehörte, dem Wagen und dem Kutscher, so daß der bisherige Eigentümer selbst sich in kurzem Rock oder Jackett aufmachen und sich einen Freund suchen mußte, dessen Wagen er mitbenutzen könne. So ein Mensch war Nosdrew! Vielleicht sagt jemand, solche Charaktere seien ausgestorben, und es gebe jetzt keine Nosdrews mehr. O weh; diejenigen, die so reden, sind in einem Irrtum befangen. Die Nosdrews sind noch lange nicht aus der Welt verschwunden. Sie leben überall zwischen uns und gehen vielleicht nur in anderen Röcken umher; das Publikum aber ist gedankenlos und wenig scharfsichtig, und ein Mensch in einem anderen Rocke erscheint ihm leicht als ein anderer Mensch.
    Unterdes fuhren die drei Wagen schon bei der Freitreppe des Nosdrewschen Hauses vor. Im Hause war für ihren Empfang nichts vorbereitet. Mitten im Eßzimmer standen hölzerne Böcke, und zwei daraufstehende Bauern weißten die Wände, wobei sie ein endloses Lied sangen; der ganze Fußboden war mit Tünche bespritzt. Nosdrew befahl sofort, die Bauern und die Böcke hinauszuschaffen, und ging in das anstoßende Zimmer, um Anordnungen zu treffen. Die Gäste hörten, wie er dem Koche auftrug, ein Mittagessen herzurichten; Tschitschikow, der schon einigen Appetit zu spüren anfing, stellte eine Berechnung an und kam zu dem Resultate, daß sie sich nicht vor fünf Uhr würden zu Tische setzen können. Als Nosdrew zurückgekehrt war, führte er die Gäste im Dorfe umher, damit sie alles besähen, was darin war, und zeigte ihnen mehr als zwei Stunden lang schlechthin alles, so daß nichts mehr zu zeigen übrigblieb. Vor allen Dingen gingen sie den Pferdestall besichtigen, wo sie zwei Stuten sahen, von denen die eine ein Apfelschimmel, die andere ein Fuchs war, ferner einen braunen Hengst, der nach nichts Besonderem aussah; trotzdem schwur Nosdrew, daß er zehntausend Rubel dafür bezahlt habe.
    »Du hast keine zehntausend Rubel für ihn gegeben«, bemerkte der Schwager. »Er ist nicht eintausend wert.«
    »Bei Gott, ich habe zehntausend gegeben«, sagte Nosdrew.
    »Da kannst du schwören, soviel du willst«, antwortete der Schwager.
    »Na, wenn du willst, wollen wir wetten!« sagte Nosdrew.
    Aber zum Wetten hatte der Schwager keine Lust.
    Dann zeigte Nosdrew ihnen einige leere Stände, in denen sich seiner Angabe nach vorher ebenfalls gute Pferde befunden hätten. In diesem selben Stalle sahen sie einen Ziegenbock (nach einem alten Aberglauben muß ein solcher notwendig bei den Pferden gehalten werden); dieses Tier schien mit den Pferden in Eintracht zu leben und spazierte unter ihren Bäuchen umher, als ob es bei sich zu Hause wäre. Darauf führte Nosdrew sie zu einem jungen Wolfe, der mit einem Riemen angebunden war. »Das ist einmal ein Wölfchen!« sagte er, »ich füttere ihn absichtlich mit rohem Fleische. Ich will, daß er ganz wild wird.« Sie gingen hin, um den Teich zu besehen, in welchem nach Nosdrews Angabe Fische von solcher Größe lebten, daß zwei Menschen nur mit Mühe ein solches Exemplar herausziehen könnten; indes unterließ der Schwager nicht, einen Zweifel daran zum Ausdruck zu bringen. »Jetzt, Tschitschikow«, sagte Nosdrew,

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