Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die toten Seelen: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Die toten Seelen: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Titel: Die toten Seelen: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nikolai Gogol
Vom Netzwerk:
einen gestreiften Hausrock. In einiger Entfernung schleppte sich noch ein leeres Wägelchen heran, gezogen von vier langwolligen Pferden mit zerrissenen Kumten und mit Stricken als Anspann. Der Blonde begab sich sogleich auf der Treppe nach oben, während der Schwarzhaarige noch unten blieb, in der Britschke herumtastete, mit dem Diener sprach und gleichzeitig dem nachkommenden Wägelchen zuwinkte. Seine Stimme kam Tschitschikow einigermaßen bekannt vor. Während er ihn betrachtete, hatte der Blonde schon an der Tür herumgefühlt und sie geöffnet. Dies war ein Mann von hohem Wuchse, mit magerem oder, wie man das nennt, ausgemergeltem Gesichte und mit einem rötlichen Schnurrbarte. Aus der braunen Farbe seines Gesichtes konnte man schließen, daß er viel mit Rauch zu tun hatte, wenn nicht mit Pulverrauch, so doch mit Tabaksrauch. Er verbeugte sich höflich vor Tschitschikow, was der letztere in gleicher Weise erwiderte. Im Laufe einiger Minuten wären sie wahrscheinlich in ein Gespräch gekommen und gut miteinander bekannt geworden, da der Anfang dazu schon gemacht war und beide fast gleichzeitig ihre Freude darüber ausgesprochen hatten, daß der Staub auf der Landstraße durch den gestrigen Regen völlig gelöscht und es jetzt kühl und angenehm zu fahren sei, als sein schwarzhaariger Gefährte hereinkam, die Mütze vom Kopfe nahm, sie auf den Tisch warf und in forscher Manier sich mit der Hand in den dichten schwarzen Haaren zauste. Er war von mittlerer Statur, sehr gut gebaut, mit vollen, roten Backen, schneeweißen Zähnen und pechschwarzem Backenbarte. Sein Teint war wie Milch und Blut; sein Gesicht strotzte förmlich vor Gesundheit.
    »Ha-ha-ha!« rief er plötzlich, als er Tschitschikow erblickte, und breitete beide Arme aus. »Wie kommst du hierher?«
    Tschitschikow erkannte eben jenen Nosdrew, mit dem er beim Polizeimeister diniert hatte, und der mit ihm in wenigen Minuten so intim geworden war, daß er angefangen hatte, ihn zu duzen, obwohl Tschitschikow seinerseits ihm dazu keinen Anlaß gegeben hatte.
    »Wohin fährst du denn?« fragte Nosdrew, fuhr aber, ohne die Antwort abzuwarten, fort: »Und ich, Bruder, komme vom Jahrmarkt. Gratuliere mir: ich habe alles verspielt, alles! Kannst du es glauben, daß ich noch nie in meinem Leben so viel verspielt habe? Mit Bauernpferden bin ich hierhergefahren! Da, sieh mal aus dem Fenster!« Hier bog er selbst Tschitschikows Kopf hin, so daß dieser sich beinah am Fensterrahmen stieß. »Siehst du wohl, was es für ein elendes Gefährt ist? Mit Not und Mühe haben sich die Kracken hierhergeschleppt; ich bin dann in dem seine Britschke umgestiegen.« Bei diesen Worten zeigte Nosdrew mit dem Finger auf seinen Gefährten. »Seid ihr noch nicht miteinander bekannt? Mein Schwager Mischujew! Ich habe mit ihm den ganzen Vormittag von dir geredet. ›Paß mal auf‹, sagte ich, ›ob wir nicht Tschitschikow treffen!‹ Na, Bruder, wenn du wüßtest, wie ich ausgebeutelt bin! Glaubst du wohl, daß ich nicht nur vier Traber verloren habe – alles habe ich verspielt! Ich habe ja weder eine Uhr noch eine Uhrkette an mir …« Tschitschikow blickte ihn an und sah wirklich, daß er weder Uhr noch Kette hatte. Es kam ihm sogar so vor, als ob die eine Hälfte seines Backenbartes kleiner und nicht so dicht sei wie die andere. »Und hätte ich nur noch zwanzig Rubel in der Tasche gehabt«, fuhr Nosdrew fort, »nicht mehr als zwanzig Rubel, dann hätte ich alles wiedergewonnen, das heißt außer dem, was ich wiedergewonnen hätte, hätte ich noch dreißigtausend Rubel eingeheimst.«
    »Das hast du auch damals gesagt«, bemerkte der Blonde, »aber als ich dir fünfzig Rubel gab, hast du sie gleich verloren.«
    »Ich hätte sie nicht verloren, ich hätte sie bei Gott nicht verloren, wenn ich nicht selbst eine Dummheit gemacht hätte; sonst hätte ich sie wahrhaftig nicht verloren. Hätte ich nicht ein Paroli auf die verfluchte Sieben gebogen, so hätte ich die ganze Bank sprengen können.«
    »Du hast sie aber nicht gesprengt«, sagte der Blonde.
    »Ich habe sie nicht gesprengt, weil ich zur Unzeit ein Paroli bog. Glaubst du etwa, dein Major spiele gut?«
    »Mag er nun gut spielen oder nicht, jedenfalls hat er dir alles abgenommen.«
    »Große Sache!« erwiderte Nosdrew. »Ich werde es ihm wieder abnehmen. Nein, laß ihn einmal probieren, Doublet zu spielen, dann will ich sehen, was er für ein Spieler ist; dann will ich es sehen! Aber, Bruder Tschitschikow, wie haben wir in den

Weitere Kostenlose Bücher