Die toten Seelen: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)
Züge im Gedächtnis. Wir werden die Steine wieder so aufstellen, wie sie gestanden haben.«
»Nein, Bruder, die Sache ist zu Ende; ich werde mit dir nicht mehr spielen.«
»Also du willst nicht mehr spielen?«
»Du siehst selbst, daß man nicht mit dir spielen kann.«
»Nein, sage ohne Ausflüchte: du willst nicht spielen?« sagte Nosdrew, indem er noch näher an ihn herantrat.
»Nein, ich will nicht«, erwiderte Tschitschikow, hob aber für jeden Fall beide Hände näher zu seinem Gesichte hinauf; denn die Situation war tatsächlich eine sehr gespannte geworden. Diese Vorsicht war sehr angebracht, da Nosdrew mit der Hand ausholte … und es hätte sich sehr leicht ereignen können, daß eine der hübschen, vollen Backen unseres Helden mit unauslöschlicher Schande bedeckt worden wäre; aber er parierte den Schlag glücklich, ergriff Nosdrew an seinen beiden streitsüchtigen Händen und hielt sie fest.
»Porfiri, Pawluschka!« schrie Nosdrew wütend und versuchte, sich loszureißen.
Als Tschitschikow diese Worte hörte, ließ er Nosdrews Hände los, um nicht die Gutsleute zu Zeugen dieser reizvollen Szene zu machen, und zugleich, weil er sich sagte, daß es nutzlos sei, Nosdrew länger festzuhalten. In demselben Augenblick trat Porfiri ein, und mit ihm Pawluschka, ein stämmiger Bursche, mit welchem zu schaffen zu haben nicht gerade vorteilhaft sein konnte.
»Also du willst die Partie nicht beenden?« fragte Nosdrew. »Antworte mir klar und bestimmt!«
»Es ist unmöglich, die Partie zu beenden«, sagte Tschitschikow und sah durch das Fenster. Er erblickte seine Britschke, die vollständig bereit dastand, und Selifan wartete, wie es schien, nur auf einen Wink, um bei der Freitreppe vorzufahren; aber es war keine Möglichkeit, aus dem Zimmer hinauszukommen: in der Tür standen diese dummen Kerle, die beiden stämmigen Leibeigenen.
»Also du willst die Partie nicht zu Ende spielen?« fragte Nosdrew noch einmal mit einem Gesicht, das wie Feuer brannte.
»Wenn du so spieltest, wie es sich für einen ehrenhaften Menschen schickt … aber unter diesen Umständen kann ich es nicht.«
»Ah, also du kannst es nicht, Schurke! Weil du gesehen hast, daß du nicht gewinnst, nun kannst du nicht! Haut ihn!« schrie er wütend, sich zu Porfiri und Pawluschka wendend; er selbst aber nahm seinen Tschibuk von Weichselrohr in die Hand. Tschitschikow stand da, blaß wie Leinwand. Er wollte etwas sagen; aber er fühlte, daß sich seine Lippen bewegten, ohne einen Laut hervorzubringen.
»Haut ihn!« schrie Nosdrew und stürmte mit dem Weichselrohr vorwärts, von Wut gepackt und mit Schweiß bedeckt, wie wenn er auf eine unzugängliche Festung einen Angriff machte. »Haut ihn!« schrie er mit ähnlicher Stimme, wie bei einem großen Angriff ein tollkühner Leutnant seinem Zuge »Vorwärts, Kinder!« zuruft, ein Offizier, dessen unsinnige Tapferkeit schon einen solchen Ruf erlangt hat, daß ausdrücklich Befehl erteilt worden ist, ihm zur Zeit eines hitzigen Kampfes die Hände festzuhalten. Aber der Leutnant spürt bereits den kriegerischen Eifer in sich; in seinem Kopfe dreht sich alles herum; die Gestalt Suworows schwebt ihm vor Augen; er schreitet zu großen Taten. »Kinder, vorwärts!« schreit er und stürzt drauflos, ohne zu überlegen, daß er dadurch dem wohlüberlegten Plane des allgemeinen Angriffs schadet, daß Tausende von Gewehrläufen aus den Schießscharten der unzugänglichen, in eine Rauchwolke gehüllten Festungsmauern hervorragen, daß sein schwacher Zug wie eine Feder in die Luft fliegen wird, und daß schon die verhängnisvolle Kugel herangepfiffen kommt, die dazu bestimmt ist, ihm den schreienden Mund zu schließen. Aber wenn auch Nosdrew mit dem tollkühnen, von Sinnen gekommenen Leutnant, der gegen die Festung anrückt, Ähnlichkeit hatte, so machte die Festung, gegen die er vorging, keineswegs den Eindruck der Unnahbarkeit. Im Gegenteil, die Festung empfand eine solche Furcht, daß ihr das Herz in die Hosen fiel. Schon war der Stuhl, mit dem er sich hatte schützen wollen, ihm von den Leibeigenen aus den Händen gerissen worden; schon machte er sich, mit zugekniffenen Augen und mehr tot als lebendig, darauf gefaßt, mit dem Weichelsrohr-Tschibuk seines Wirtes Bekanntschaft zu machen, und Gott weiß, was ihm noch widerfahren wäre; aber es beliebte dem Schicksal, die Seiten, die Schultern und alle die wohlgenährten Körperteile unseres Helden zu retten. Unerwarteterweise ertönten plötzlich, wie wenn
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