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Die toten Seelen: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Die toten Seelen: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Titel: Die toten Seelen: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nikolai Gogol
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möglich hindurchzulaufen, die Augen demütig auf den Boden geheftet, und weiß daher absolut nichts von dem dort herrschenden idealen Zustande. Unsere Helden sahen viel Papier, teils weißes, teils mit Konzepten beschriebenes, gebeugte Köpfe, breite Nacken, Fracks und Oberröcke von der in der Gouvernementsstadt üblichen Fasson und sogar vereinzelt eine einfache hellgraue Joppe, die sehr stark von den übrigen Kostümen abstach. Der darin steckende Beamte schrieb, den Kopf zur Seite biegend und beinah auf das Papier herauflegend, flott und schwungvoll ein Protokoll über die Einziehung von Land oder über die Beschlagnahme eines Gutes, das sich irgendein friedlicher Gutsbesitzer widerrechtlich angeeignet hatte, der dann, während der Prozeß lief, unter dessen Schutz und Schirm seelenruhig sein Leben dort verbracht und Kinder und Enkel bekommen hatte. Ab und zu hörte man kurze, mit heiserer Stimme gesprochene Sätze: »Fedosjei Fedosjejewitsch, reichen Sie mir doch das Aktenstück Nr. 368!« oder: »Sie lassen doch immer den Pfropfen von dem fiskalischen Tintenfaß fortkommen!« Manchmal erscholl gebieterisch eine würdevollere Stimme, ohne Zweifel die eines Chefs: »Da, schreib das mal schnell ab! Sonst lasse ich dir die Stiefel ausziehen, und du sollst mir hier sechs Tage lang sitzen, ohne etwas zu essen zu bekommen!« Das Geräusch von den Federn war recht stark und ähnelte dem, das von ein paar mit Reisig beladenen Bauernwagen hervorgebracht wird, wenn sie durch einen Wald fahren, der einen halben Fuß hoch mit trockenen Blättern bedeckt ist.
    Tschitschikow und Manilow traten an den ersten Tisch heran, an welchem zwei noch junge Beamte saßen, und sagten: »Gestatten Sie die Frage: wo ist hier die Abteilung für Kaufverträge?«
    »Was wünschen Sie denn?« fragten die beiden Beamten, sich umwendend.
    »Ich möchte ein Gesuch einreichen.«
    »Was haben Sie denn gekauft?«
    »Ich möchte zunächst wissen, wo die Abteilung für Kontrakte ist, ob hier oder anderwärts.«
    »So sagen Sie uns doch zuvörderst, was Sie gekauft haben und zu welchem Preise, dann werden wir Ihnen auch sagen, wohin Sie sich zu wenden haben; aber so können wir es nicht wissen.«
    Tschitschikow merkte sofort, daß die Beamten einfach neugierig waren, wie alle jungen Beamten, und sich mit ihrer Tätigkeit wichtig tun wollten.
    »Hören Sie mal, meine lieben Herren«, sagte er, »ich weiß recht gut, daß alle Kontraktangelegenheiten, mag der Preis sein, welcher er will, an ein und derselben Stelle erledigt werden, und daher bitte ich Sie, uns den betreffenden Tisch zu zeigen; wenn Sie aber hier nicht Bescheid wissen, so werden wir uns an einer anderen Stelle erkundigen.« Hierauf gaben die Beamten überhaupt keine Antwort mehr; der eine von ihnen zeigte nur mit dem Finger nach einer Ecke des Zimmers, wo an einem Tische ein alter Mann saß, welcher Aktenstücke mit Merkzeichen versah. Tschitschikow und Manilow gingen zwischen den Tischen hindurch geradewegs zu ihm hin. Der Alte widmete seiner Beschäftigung große Aufmerksamkeit.
    »Gestatten Sie die Frage«, sagte Tschitschikow mit einer Verbeugung. »Ist hier die Abteilung für Kontrakte?«
    Der Alte blickte auf und erwiderte gedehnt: »Nein, hier ist nicht die Abteilung für Kontrakte.«
    »Wo ist sie denn?«
    »Das ist in der Kontraktexpedition.«
    »Und wo ist die Kontraktexpedition?«
    »Die ist bei Iwan Antonowitsch.«
    »Und wo ist Iwan Antonowitsch?«
    Der Alte wies mit dem Finger nach einer anderen Ecke des Zimmers. Tschitschikow und Manilow begaben sich zu Iwan Antonowitsch. Iwan Antonowitsch hatte schon ein Auge nach ihnen zurückgewandt und ihnen einen schrägen Blick zugeworfen, aber in demselben Augenblick vertiefte er sich noch aufmerksamer in seine Schreibarbeit.
    »Gestatten Sie die Frage«, sagte Tschitschikow mit einer Verbeugung: »Ist hier die Abteilung für Kontrakte?«
    Iwan Antonowitsch schien die Frage nicht gehört zu haben; er war ganz in seine Akten vertieft und antwortete nicht. Man sah auf den ersten Blick, daß er schon ein Mann in gesetzten Jahren und nicht so ein junger Schwätzer und Laffe war. Er war, wie es schien, schon weit über vierzig Jahre alt; er hatte dichtes, schwarzes Haar; die ganze mittlere Partie seines Gesichtes sprang stark vor und ging in die Nase über: kurz, es war diejenige Art von Gesicht, die man im gewöhnlichen Leben eine Kannenschnauze nennt.
    »Gestatten Sie die Frage: ist hier die Kontraktexpedition?« sagte

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