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Die toten Seelen: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Die toten Seelen: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Titel: Die toten Seelen: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nikolai Gogol
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Erachtens«, sagte der Präsident, »könnten Sie ebenfalls einen Bären niederwerfen, wenn Sie ihm entgegentreten wollten.«
    »Nein, das leiste ich nicht«, erwiderte Sobakewitsch, »der Verstorbene war doch stärker als ich.« Und mit einem Seufzer fuhr er fort: »Nein, jetzt gibt es solche Leute nicht mehr: da sehen Sie zum Beispiel mein Leben an; was ist das für ein Leben? Ein kümmerliches Ding …«
    »Was haben Sie denn an Ihrem Leben auszusetzen?« fragte der Präsident.
    »Es ist eine schlimme, schlimme Sache!« versetzte Sobakewitsch, den Kopf hin und her wiegend. »Urteilen Sie selbst, Iwan Grigorjewitsch: da lebe ich nun schon bald fünfzig Jahre und bin nie krank gewesen; wollte Gott, daß mir auch nur der Hals weh getan oder sich irgendwo ein Geschwür gebildet hätte … Nein, das führt zu nichts Gutem! Dafür werde ich noch einmal büßen müssen!« Und Sobakewitsch versank in melancholische Gedanken.
    »Nein, so ein Kerl!« dachten Tschitschikow und der Präsident gleichzeitig. »Ein wunderlicher Einfall, darüber zu klagen!«
    »Ich habe einen Brief an Sie«, sagte Tschitschikow und zog Pluschkins Brief aus der Tasche.
    »Von wem?« fragte der Präsident, und als er ihn erbrochen hatte, rief er: »Ah, von Pluschkin! Also der existiert immer noch auf der Welt! Ist das ein Schicksal! Und was war er früher für ein kluger, reicher Mann! Und jetzt …«
    »Jetzt ist er ein Lump«, sagte Sobakewitsch, »ein Schuft; all seine Leute hat er Hungers sterben lassen.«
    »Meinetwegen, meinetwegen«, sagte der Präsident, nachdem er den Brief durchgelesen hatte, »ich bin bereit, als sein Bevollmächtigter zu funktionieren. Wann wollen Sie den Kauf abschließen, jetzt gleich oder erst später?«
    »Jetzt gleich«, antwortete Tschitschikow, »ich möchte Sie sogar bitten, wenn es möglich ist, es gleich heute geschehen zu lassen, da ich morgen gern aus der Stadt abreisen möchte; ich habe sowohl die Kaufkontrakte als auch das Gesuch mitgebracht.«
    »Alles sehr schön; aber erlauben Sie mal, so schnell werden wir Sie nicht weglassen. Die Kaufkontrakte sollen gleich heute legalisiert werden; aber Sie müssen doch noch ein Weilchen bei uns bleiben. Ich werde sofort Befehl geben«, sagte er und öffnete die Tür nach der Kanzlei, die ganz voll von Beamten war, welche arbeitsamen Bienen glichen, die an den Honigwaben umherwimmeln, wenn anders man die Honigwaben mit den Akten in der Kanzlei vergleichen kann. »Ist Iwan Antonowitsch hier?«
    »Ja, er ist hier«, antwortete jemand aus der Kanzlei.
    »Rufen Sie ihn her!«
    Der dem Leser bereits bekannte Iwan Antonowitsch, die Kannenschnauze, erschien im Amtszimmer und verbeugte sich respektvoll.
    »Da, nehmen Sie alle diese Kaufkontrakte, Iwan Antonowitsch, und …«
    »Vergessen Sie nicht, Iwan Grigorjewitsch«, unterbrach ihn Sobakewitsch, »wir werden auch Zeugen nötig haben, wenigstens zwei für jede Partei. Schicken Sie doch gleich zum Staatsanwalt: der ist ein Müßiggänger und sitzt gewiß zu Hause; alle Arbeit macht für ihn der Rechtsanwalt Solotucha, der erste Blutsauger auf der Welt. Da ist ferner der Inspektor des Medizinalwesens; der tut auch nichts und ist sicherlich zu Hause, wenn er nicht irgendwohin gefahren ist, um Karten zu spielen; und so gibt es hier noch eine Menge in der Nähe: Truchatschewski, Bjeguschkin – lauter Menschen, die unnütz die Erde drücken.«
    »Richtig, richtig!« erwiderte der Präsident und schickte sofort einen Kanzleidiener ab, um die Herren herbeizuholen.
    »Ich habe noch eine Bitte an Sie«, sagte Tschitschikow, »lassen Sie doch auch den Bevollmächtigten einer Gutsbesitzerin holen, mit der ich ebenfalls ein kleines Geschäft abgeschlossen habe, den Sohn des Oberpopen Vater Kirill; er ist hier bei Ihnen am Gericht angestellt.«
    »Gewiß, wir wollen auch den holen lassen!« versetzte der Präsident. »Es wird alles gemacht werden; geben Sie aber keinem der Beamten etwas, darum bitte ich Sie. Meine Freunde sollen nicht bezahlen.« Nach diesen Worten erteilte er sogleich auch Iwan Antonowitsch einen Auftrag, der diesem augenscheinlich nicht gefiel. Die Kontrakte machten, wie es schien, auf den Präsidenten einen guten Eindruck, besonders da er sah, daß die Kaufgelder sich zusammen beinah auf hunderttausend Rubel beliefen. Er blickte Tschitschikow eine Weile mit dem Ausdrucke großer Freunde in die Augen und sagte endlich: »Nun sehen Sie mal an! Da haben Sie ja eine hübsche Erwerbung gemacht, Pawel

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