Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die toten Seelen: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Die toten Seelen: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Titel: Die toten Seelen: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nikolai Gogol
Vom Netzwerk:
Iwanowitsch!«
    »Allerdings«, antwortete Tschitschikow.
    »Ein schönes Unternehmen, wirklich, ein schönes Unternehmen!«
    »Ja, ich glaube selbst, daß ich nichts Schöneres tun konnte. Was man auch sagen mag, der Mensch hat kein richtiges, bestimmtes Lebensziel, wenn er sich nicht endlich festen Fußes auf eine dauerhafte Grundlage stellt und den freidenkerischen Schimären der Jugend Valet sagt.« Bei dieser passenden Gelegenheit schalt er über den Liberalismus und (was durchaus berechtigt war) über alle jungen Leute. Aber merkwürdig: seine Worte hatten doch etwas Unsicheres, wie wenn er gleichzeitig zu sich selbst sagte: »Du lügst, Bruder, und zwar ganz gehörig!« Er blickte nicht einmal Sobakewitsch und Manilow an, aus Furcht, in ihren Gesichtern etwas für ihn Kompromittierendes zu lesen. Aber diese Furcht war unnötig: Sobakewitschs Gesicht rührte sich gar nicht; Manilow aber, der von der schönen Phrase ganz bezaubert war, nickte nur beifällig mit dem Kopfe und versank in dieselbe Stimmung, in der sich ein Musikliebhaber befindet, wenn eine Sängerin sogar die Geige überboten und einen so hohen Ton herausgeschmettert hat, wie ihn nicht einmal eine Vogelkehle zustande bringt.
    »Aber warum sagen Sie denn Iwan Grigorjewitsch nicht, was Sie eigentlich für Leute erworben haben?« sagte Sobakewitsch. »Und warum fragen Sie ihn denn nicht danach, Iwan Grigorjewitsch? Es sind ganz prächtige Leute! Das reine Gold! Ich habe ihm ja sogar den Wagenbauer Michejew verkauft.«
    »Nein, haben Sie wirklich auch Michejew verkauft?« erwiderte der Präsident. »Ich kenne den Wagenbauer Michejew; er ist ein vorzüglicher Handwerker; er hat mir einen Kaleschwagen umgeändert. Aber erlauben Sie, wie ist denn das … Sie haben mir ja gesagt. er sei gestorben …«
    »Wer? Michejew sei gestorben?« versetzte Sobakewitsch, ohne im geringsten in Verwirrung zu geraten. »Das war sein Bruder, der da starb; aber er selbst ist ganz lebendig und noch gesünder als früher. Vor kurzem hat er mir eine solche Britschke gebaut, wie sie nicht einmal in Moskau hergestellt wird. Er sollte wahrhaftig nur für den Kaiser arbeiten.«
    »Ja, Michejew ist ein Meister in seinem Fache«, sagte der Präsident, »und ich wundere mich sogar, daß Sie sich von ihm haben trennen mögen.«
    »Und wenn es sich um Michejew allein handelte! Aber auch der Zimmermann Probka Stepan und der Töpfer Miluschkin und der Schuhmacher Teljatnikow Maxim, alle gehen sie fort, alle habe ich sie verkauft!« Und als der Präsident fragte, warum er sie denn alle verkauft habe, wenn es doch geschickte, für den Haushalt unentbehrliche Leute seien, antwortete Sobakewitsch mit einer resignierten Handbewegung: »Ich habe es ohne rechten Grund getan; es war eine Laune von mir. ›Ach was‹, sagte ich zu mir, ›ich will sie verkaufen!‹ Und da verkaufte ich sie aus Dummheit!« Dann ließ er den Kopf in einer Weise hängen, als empfände er selbst über dieses Geschäft Reue, und fügte hinzu: »Da bekommt man nun schon einen grauen Kopf und ist immer noch nicht klug geworden.«
    »Aber gestatten Sie eine Frage, Pawel Iwanowitsch«, sagte der Präsident. »Wozu kaufen Sie denn Bauern ohne Land? Wohl zur Übersiedelung?«
    »Ja freilich.«
    »Nun, wenn Sie es zur Übersiedelung tun, dann ist es etwas anderes. Aber nach welchen Orten denn?«
    »Nach Orten … im Gouvernement Cherson.«
    »Oh, da ist ausgezeichneter Boden!« sagte der Präsident und konnte den dortigen Graswuchs gar nicht genug loben. »Besitzen Sie da Land in hinreichender Quantität?«
    »Jawohl, soviel wie ich für die gekauften Bauern nötig habe.«
    »Ist auch ein Fluß oder ein Teich da?«
    »Ein Fluß. Übrigens auch ein Teich.« Als Tschitschikow das sagte, blickte er zufällig nach Sobakewitsch hin, und wiewohl dessen Gesicht wie vorher unbeweglich war, so hatte Tschitschikow doch die Empfindung, als ob auf diesem Gesichte geschrieben stände: »Hui, du lügst. Da ist schwerlich ein Fluß oder ein Teich und überhaupt kein Land!«
    Während die Gespräche fortgesetzt wurden, begannen allmählich die Zeugen zu erscheinen: der dem Leser bekannte, stets blinzelnde Staatsanwalt, der Inspektor des Medizinalwesens, Truchatschewski, Bjeguschkin und andere, die nach Sobakewitschs Ausdruck die Erde unnütz drückten. Viele von ihnen kannte Tschitschikow noch gar nicht; die noch fehlenden Zeugen sowie einige über die Minimalzahl hinaus wurden sogleich aus den Gerichtsbeamten gewählt. Auch war nicht nur

Weitere Kostenlose Bücher