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Die toten Seelen: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Die toten Seelen: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Titel: Die toten Seelen: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nikolai Gogol
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wahr, Iwan Grigorjewitsch, wir wollen ihm eine Frau verschaffen?«
    »Jawohl, das wollen wir!« fiel der Präsident ein. »Und wenn Sie sich mit Händen und Füßen sträuben, wir werden Sie verheiraten! Nein, Väterchen, Sie sind einmal hierher gekommen, nun beklagen Sie sich nicht über Ihr Schicksal! Wir lieben es nicht, zu scherzen.«
    »Nun, warum sollte ich mich mit Händen und Füßen sträuben?« erwiderte Tschitschikow lächelnd. »Die Ehe ist doch nicht so eine Sache, daß man … hm … Wenn nur eine Braut da wäre!«
    »Eine Braut wird schon zu haben sein! Wie sollte sich keine finden lassen? Es wird alles da sein, alles, was Sie nur wollen! …«
    »Nun, wenn’s so ist …«
    »Bravo, er bleibt hier!« schrien alle. »Vivat, hurra, Pawel Iwanowitsch! Hurra!« Und alle traten mit den Gläsern in der Hand zu ihm, um mit ihm anzustoßen. »Nein, nein, noch einmal!« riefen die Eifrigsten und stießen von neuem an; dann drangen sie darauf, es müsse noch ein drittes Mal angestoßen werden, und auch das geschah. In kurzer Zeit wurden alle außerordentlich vergnügt. Der Präsident, der in angeheitertem Zustande ein überaus liebenswürdiger Mensch war, umarmte Tschitschikow mehrmals und rief in überquellender Zärtlichkeit: »Du mein Seelchen, mein Mamachen!« Er fing sogar an, mit den Fingern schnippend, um ihn herumzutanzen und dazu ein bekanntes Reigenlied zu singen. Nach dem Champagner wurde Ungarwein getrunken, der die Stimmung noch mehr hob und die Lustigkeit der Gesellschaft steigerte. Die Whistpartie hatten sie vollständig vergessen; sie disputierten, schrien, redeten über alles mögliche, über Politik, sogar über Militärwesen, und sprachen freie Ansichten aus, für die sie zu anderer Zeit selbst ihre Kinder durchgehauen hätten. Eine Menge der schwierigsten Fragen lösten sie stante pede. Tschitschikow hatte sich noch nie in so vergnügter Stimmung befunden; er fühlte sich schon als richtiger Chersoner Gutsbesitzer, sprach von allerlei Meliorationen, von der Dreifelderwirtschaft, von der Glückseligkeit und Wonne zweier liebender Seelen und deklamierte Sobakewitsch sogar eine Epistel Werthers an Lotte in Versen vor, wobei jener aber nur, im Lehnstuhl sitzend, mit den Augen blinzelte; denn nach dem Stör fühlte er ein starkes Bedürfnis zu schlafen. Tschitschikow merkte selbst, daß er anfing, sich zu sehr gehen zu lassen, bat, man möge ihn in einem Wagen nach Hause spedieren, und benutzte den des Staatsanwaltes. Der Kutscher des Staatsanwaltes war, wie sich unterwegs herausstellte, ein wohlerfahrener junger Mensch, denn er lenkte die Pferde nur mit einer Hand, während er mit der anderen nach hinten griff und den Insassen des Wagens festhielt. Auf diese Weise gelangte unser Held in dem Wagen des Staatsanwaltes nach seinem Gasthofe, wo er noch lange allerlei törichtes Zeug redete: von einer blonden Braut mit schönem Teint und mit einem Grübchen auf der rechten Wange, von Dörfern im Gouvernement Cherson und von großen Kapitalien. Er erteilte seinem Kutscher Selifan sogar wirtschaftliche Befehle: er solle die neu übergesiedelten Bauern alle versammeln und einen Appell mit Namensaufruf abhalten. Selifan hörte schweigend sehr lange zu, verließ das Zimmer und sagte zu Petruschka: »Geh hin und zieh den Herrn aus!« Petruschka machte sich daran, ihm die Stiefel auszuziehen, und zog beinahe mit den Stiefeln auch den Herrn selbst auf den Fußboden. Aber endlich waren die Stiefel ausgezogen; der Herr kleidete sich aus, wie es sich gehört, und nachdem er sich eine Zeitlang im Bette herumgewälzt hatte, welches dabei furchtbar knarrte, schlief er ein in der festen Überzeugung, daß er ein Chersoner Gutsbesitzer sei. Petruschka trug unterdessen die Beinkleider und den preiselbeerfarbenen Frack mit den hellen Tüpfelchen auf den Korridor hinaus, hängte sie dort über einen hölzernen Kleiderhalter und begann, sie auszuklopfen und auszubürsten, so daß der ganze Korridor von Staubwolken erfüllt wurde. Als er sich bereits anschickte, sie abzunehmen, blickte er von der Galerie nach unten und sah Selifan, der aus dem Pferdestalle zurückkehrte. Ihre Blicke begegneten sich, und instinktiv verstanden die beiden einander: der Herr hatte sich schlafen gelegt, da konnten sie irgendwohin gehen. Sofort trug Petruschka den Frack und die Beinkleider ins Zimmer, ging nach unten, und beide machten sich zusammen auf den Weg, wobei sie zueinander von dem Ziele ihrer Wanderung nichts sagten und unterwegs nur

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