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Die toten Seelen: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Die toten Seelen: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Titel: Die toten Seelen: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nikolai Gogol
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der Sohn des Oberpopen Vater Kirill herbeigeholt worden, sondern auch der Oberpope selbst. Jeder der Zeugen unterschrieb mit all seinen Titeln und Würden, der eine in zurückliegender, der andere in vornübergebeugter Schrift, ein dritter, wie wenn die Buchstaben auf dem Kopfe ständen, unter Beimischung solcher Buchstaben, die im russischen Alphabete gar nicht vorkommen. Der uns bekannte Iwan Antonowitsch erledigte diese Sache mit großer Geschicklichkeit: die Kontrakte wurden notiert, mit dem Präsentationsvermerk versehen und ordnungsgemäß in ein Buch eingetragen; dem Käufer wurden ein halbes Prozent sowie die Kosten für die Bekanntmachung in der Zeitung in Rechnung gestellt, und so sollte denn Tschitschikow nur eine verhältnismäßig kleine Summe bezahlen. Der Präsident aber gab sogar Befehl, nur die Hälfte der üblichen Kosten von ihm zu erheben und die andere (ich verstehe nicht, auf welche Weise) einem anderen Petenten auf die Rechnung zu setzen.
    »Somit«, sagte der Präsident, als alles beendet war, »bleibt uns nur noch übrig, den Kauf zu begießen.«
    »Ich bin bereit«, erwiderte Tschitschikow. »Es hängt von Ihnen ab, die Zeit zu bestimmen. Meinerseits wäre es eine Sünde, wenn ich für eine so angenehme Gesellschaft nicht ein, zwei, drei Flaschen Champagner entkorken wollte.«
    »Nein, da haben Sie mich mißverstanden: den Champagner werden wir selbst liefern«, sagte der Präsident, »das ist unsere Pflicht und Schuldigkeit; Sie sind unser Gast; es ist an uns, Sie zu bewirten. Wissen Sie was, meine Herren? Zunächst wollen wir es so machen: wir begeben uns alle, so wie wir da sind, zum Polizeimeister; der ist ein reiner Hexenmeister, der braucht nur an einem Delikatessengeschäft oder einer Weinhandlung vorbeizugehen und mit einem Auge zu blinzeln, dann haben wir einen splendiden Imbiß! Und bei der Gelegenheit können wir auch einen kleinen Whist spielen.«
    Gegen einen solchen Vorschlag konnte sich niemand ablehnend verhalten. Die Zeugen verspürten schon bei der Erwähnung des Delikatessengeschäftes Appetit; alle griffen sofort nach ihren Mützen und Hüten, und die Sitzung war aufgehoben. Als sie durch die Kanzlei gingen, sagte Iwan Antonowitsch, die Kannenschnauze, mit einer höflichen Verbeugung leise zu Tschitschikow: »Sie haben für hunderttausend Rubel Bauern gekauft und mir für meine Mühe nur fünfundzwanzig Rubel gegeben.«
    »Aber was sind das auch für Bauern«, antwortete ihm Tschitschikow, gleichfalls flüsternd, »ein ganz unbrauchbares, nichtsnutziges Gesindel; die sind auch nicht die Hälfte wert.« Iwan Antonowitsch merkte, daß dieser Klient einen festen Charakter hatte und nicht mehr geben werde.
    »Was haben Sie denn bei Pluschkin für die Seele bezahlen müssen?« flüsterte ihm Sobakewitsch in das andere Ohr.
    »Warum haben Sie denn die Worobei dazugeschrieben?« antwortete ihm Tschitschikow darauf.
    »Was für einen Worobei?«
    »Nun, die Bauerfrau Jelisaweta Worobei, und Sie haben beim Vornamen noch den letzten Buchstaben verändert.«
    »Nein, ich habe keinen Worobei hinzugeschrieben«, erwiderte Sobakewitsch und ging von ihm weg zu den anderen Gästen.
    Die Gäste gelangten endlich in dichtem Schwarme zu dem Hause des Polizeimeisters. Der Polizeimeister war wirklich ein Hexenmeister: sobald er hörte, um was es sich handelte, rief er sofort einen Polizeikommissar, einen forschen jungen Mann in hohen Lackstiefeln; er flüsterte ihm, wie es schien, nur zwei Worte ins Ohr, fügte hinzu: »Verstehst du?«, und während die Gäste im Nebenzimmer eifrig ihren Whist spielten, erschienen auf dem Tische: Hausen, Stör, Lachs, gepreßter Kaviar, frisch gesalzener Kaviar, Hering, verschiedene Sorten Käse, geräucherte Rinderzunge, alles aus dem Delikatessengeschäfte. Dann erschienen Beigaben von seiten des Wirtes, Produkte der Küche: eine Pastete, gefüllt mit den Knorpeln und den Backen vom Kopfe eines neun Pud schweren Störes, eine Pfifferlingspastete, Pfannkuchen, Butterkuchen, Obstkuchen. Der Polizeimeister war in gewissem Sinne der Vater und Wohltäter der Stadt. Er lebte unter der Bürgerschaft ganz wie in seiner eigenen Familie und schickte in die Läden und nach dem Bazar wie in seine eigenen Speisekammern. Überhaupt war er, wie man zu sagen pflegt, der richtige Mann auf dem richtigen Platze und kannte seine amtlichen Obliegenheiten auf das genaueste. Man hätte sogar schwer entscheiden können, ob er für sein Amt geschaffen war oder sein Amt für ihn. Er

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