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Die toten Seelen: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Die toten Seelen: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Titel: Die toten Seelen: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nikolai Gogol
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machte seine Sache so klug, daß er eine doppelt so große Einnahme erzielte wie alle seine Vorgänger, und trotzdem hatte er sich die Liebe der ganzen Stadt erworben. In erster Linie hatten ihn die Kaufleute gern, besonders weil er nicht stolz war; und in der Tat, er hob ihre Kinder aus der Taufe, stand mit ihnen zusammen Gevatter, und obgleich er sie mitunter gehörig schröpfte, so machte er das doch in einer äußerst gewandten Manier: er klopfte einem auf die Schulter, lachte ihn freundlich an, lud ihn zum Tee ein, meldete sich selbst zu einer Partie Dame an, erkundigte sich nach allem möglichen; wie das Geschäft gehe, und dies und das; wenn er erfuhr, daß ein Kindchen krank war, so empfahl er eine Arznei; kurz, er war ein prächtiger Mensch! Wenn er in seinem Wägelchen umherfuhr, um überall für Ordnung zu sorgen, so sagte er dabei zu diesem oder jenem ein freundliches Wort: »Nun, Micheitsch, wir beide müßten einmal wieder eine Partie Gorka [7]   zusammen spielen!« – »Ja, Alexei Iwanowitsch«, antwortete der, die Mütze abnehmend, »das müssen wir tun.« – »Nun, Bruder Ilja Paramonytsch, komm doch einmal zu mir und sieh dir meinen Traber an; ich glaube, er überholt deinen; spann doch deinen einmal an ein leichtes Wägelchen, dann wollen wir es probieren.« Der Kaufmann, der eine Passion für Traber hatte, lächelte dazu besonders wohlgefällig, strich sich über den Bart und erwiderte: »Schön, wir wollen es probieren, Alexei Iwanowitsch!« Selbst die Ladendiener nahmen bei einem derartigen Gespräche die Mützen ab, blickten einander vergnügt an und schienen sagen zu wollen: »Alexei Iwanowitsch ist doch ein famoser Kerl!« Kurz, es war ihm gelungen, sich eine außerordentliche Popularität zu erwerben, und die Meinung der Kaufleute über ihn ging dahin, Alexei Iwanowitsch nehme einem zwar tüchtig etwas ab, aber dafür sei er auch verläßlich.
    Als der Polizeimeister merkte, daß der Imbiß bereitstand, schlug er seinen Gästen vor, die Fortsetzung des Whists bis nach dem Frühstück zu verschieben, und alle gingen in das andere Zimmer, von wo schon lange ein Geruch hereingedrungen war, der ihre Nasen angenehm kitzelte; Sobakewitsch aber hatte schon lange durch die ein wenig offenstehende Tür gesehen und von weitem den Stör bemerkt, der etwas abseits auf einer großen Schüssel lag. Nachdem die Gäste jeder ein Gläschen dunkel-olivengrünen Schnaps getrunken hatten (von der Farbe, die sich sonst nur noch an einer gewissen durchscheinenden sibirischen Steinart findet, aus der in Rußland Petschafte geschnitten werden), traten sie von allen Seiten an den Tisch heran und zeigten, wie man zu sagen pflegt, jeder seinen wahren Charakter und seine intimen Neigungen, indem der eine zum Kaviar zulangte, der andere zum Lachs, der dritte zum Käse. Sobakewitsch aber ließ all diese Kleinigkeiten unbeachtet, machte sich an den Stör heran, und während die anderen tranken, redeten und aßen, verzehrte er ihn in Zeit von etwas über einer halben Stunde vollständig, so daß, als der Polizeimeister sich an dieses Gericht erinnerte und mit den Worten: »Nun, meine Herren, wie gefällt Ihnen dieses Naturprodukt?« von den anderen gefolgt, die Gabel in der Hand, zu ihm trat, er sehen mußte, daß von dem Naturprodukte nur der Schwanz übrig war. Sobakewitsch aber verhielt sich so ruhig, als wäre er es nicht gewesen, trat zu einem Teller, der von den übrigen etwas entfernt stand, und stieß mit der Gabel in einen kleinen getrockneten Fisch. Nachdem er solchergestalt den Stör erledigt hatte, setzte er sich in einen Lehnstuhl, aß nicht mehr und trank nicht mehr, sondern blinzelte nur mit den halb zugekniffenen Augen. Der Polizeimeister neigte anscheinend nicht dazu, mit dem Weine zu knausern: es wurden zahllose Toaste ausgebracht. Zuerst trank man, wie die Leser vielleicht auch schon selbst erraten, auf die Gesundheit des neuen Chersoner Gutsbesitzers, dann auf das Wohlergehen seiner Bauern und auf ihre glückliche Übersiedelung, dann auf die Gesundheit seiner künftigen schönen Frau, was ein freundliches Lächeln auf den Lippen unseres Helden hervorrief. Von allen Seiten trat man an ihn heran und bat ihn inständig, wenigstens noch vierzehn Tage in der Stadt zu bleiben: »Nein, Pawel Iwanowitsch! Erlauben Sie, das heißt ja geradezu, uns nur die Stube kalt machen: auf die Schwelle und gleich wieder zurück! Nein, bleiben Sie noch eine Weile bei uns! Wir werden Ihnen eine Frau verschaffen. Nicht

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