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Die toten Seelen: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Die toten Seelen: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Titel: Die toten Seelen: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nikolai Gogol
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gegeben, sowohl im gewöhnlichen Leben als auch in der Geschichte.« – »Niemals, niemals«, sagte der Vorsteher der fiskalischen Fabriken, »glauben Sie mir, das ist ganz unmöglich; denn Tschitschikows Bauern werden jetzt zwei mächtige Feinde haben. Der erste Feind ist die Nähe der kleinrussischen Gouvernements, wo bekanntlich der Branntweinverkauf freigegeben ist. Ich versichere Sie: in zwei Wochen werden sie sämtlich Säufer und Tagediebe sein. Ein anderer Feind ist die Gewöhnung an ein vagabundierendes Leben, die die Bauern sich während der Übersiedelung mit Notwendigkeit zu eigen machen werden. Es würde erforderlich sein, daß Tschitschikow sie fortwährend unter Augen hätte, sie ganz kurz hielte, sie für die geringste Unregelmäßigkeit bestrafte und gerade diese Bestrafung nicht einem andern überließe, sondern selbst persönlich im geeigneten Falle Ohrfeigen und Genickstöße austeilte.« – »Wozu braucht Tschitschikow sich selbst mit ihnen herumzuplagen und Genickstöße auszuteilen? Er kann auch einen Verwalter finden.« – »Ja, finden Sie mal einen Verwalter; das sind alles Halunken!« – »Halunken sind sie nur darum, weil die Herren sich nicht mit der Sache befassen.« – »Das ist richtig!« stimmten viele bei. »Wenn der Herr selbst auch nur ein bißchen von der Wirtschaft versteht und etwas Menschenkenntnis besitzt, dann wird er immer einen guten Verwalter haben.« Aber der Fabrikvorsteher erklärte, unter fünftausend Rubeln könne man keinen guten Verwalter auftreiben. Der Präsident jedoch meinte, man könne auch schon für dreitausend Rubel einen finden. Aber der Vorsteher erwiderte: »Wo werden Sie den denn finden? Etwa auf Ihrer eigenen Nase?« Der Präsident aber entgegnete: »Nein, auf meiner Nase nicht, aber gleich im hiesigen Kreise; ich meine Peter Petrowitsch Samoilow: das ist ein Verwalter, wie ihn Tschitschikow für seine Bauern braucht!« Viele versetzten sich lebhaft in Tschitschikows Lage, und die Schwierigkeit der Übersiedelung einer so bedeutenden Menge von Bauern erschreckte sie gewaltig; sie befürchteten sogar sehr, es könne unter einem so unruhigen Volke, wie Tschitschikows Bauern, eine Empörung ausbrechen. Hiergegen bemerkte der Polizeimeister, vor einer Empörung brauche man keine Bange zu haben; um eine solche zu verhindern, sei der mit hinreichender Amtsgewalt ausgestattete Bezirkshauptmann da; dieser brauche gar nicht einmal selbst hinzufahren, sondern statt seiner nur seine Mütze hinzuschicken; dann werde schon allein diese Mütze die Bauern auseinander und in ihre Behausungen treiben. Viele sprachen ihre Ansichten darüber aus, wie der aufrührerische Geist, von welchem Tschitschikows Bauern erfüllt sein würden, ausgerottet werden müsse. Die Ansichten gingen auseinander: manche zeichneten sich durch große militärische Härte und Strenge aus, die wohl zu weit ging; diesen standen andere gegenüber, die einen milderen Geist atmeten. Der Postmeister bemerkte, Herrn Tschitschikow erwachse jetzt eine heilige Pflicht; er könne unter seinen Bauern eine Art Vater werden und (so drückte er sich aus) sogar eine wohltätige Aufklärung verbreiten; und bei diesem Anlasse äußerte er sich sehr lobend über die Lancastersche Methode des wechselseitigen Unterrichts.
    In dieser Weise redete und urteilte man in der Stadt, und viele teilten, von aufrichtiger Teilnahme getrieben, sogar Tschitschikow persönlich einige dieser Ratschläge mit und boten ihm sogar eine Eskorte an, um die Bauern sicher nach ihrem neuen Wohnsitze zu geleiten. Für die Ratschläge sprach ihnen Tschitschikow seinen Dank aus und sagte, er werde vorkommendenfalls nicht verabsäumen, davon Gebrauch zu machen; die Eskorte aber lehnte er entschieden ab, mit der Bemerkung, sie sei ganz unnötig; die Bauern, die er gekauft habe, besäßen einen außerordentlich friedlichen Charakter, seien aus freien Stücken selbst sehr für die Übersiedelung, und ein Aufstand unter ihnen sei jedenfalls ein Ding der Unmöglichkeit.
    Alle diese Gespräche und Debatten hatten jedoch für Tschitschikow die angenehmste Folge, die er überhaupt nur erwarten konnte: es verbreitete sich nämlich das Gerücht, daß er nicht mehr und nicht weniger als ein Millionär sei. Die Einwohner der Stadt hatten, wie wir bereits im ersten Kapitel gesehen haben, Tschitschikow ohnehin schon von Herzen liebgewonnen, und jetzt nach diesen Gerüchten steigerte sich ihre Zuneigung noch beträchtlich. Übrigens, die Wahrheit zu

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