Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die toten Seelen: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Die toten Seelen: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Titel: Die toten Seelen: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nikolai Gogol
Vom Netzwerk:
von ganz gleichgültigen Dingen redeten. Der Spaziergang, den sie machten, dehnte sich nicht weit aus, denn sie gingen nur nach der anderen Seite der Straße hinüber zu einem Hause, das dem Gasthofe gegenüberlag, und traten in eine niedrige, vom Rauche geschwärzte Glastür, die in einen beinahe als Keller zu bezeichnenden Raum führte, wo schon vielerlei Leute an hölzernen Tischen saßen: rasierte und bärtige, in unüberzogenen Schafpelzen und einfach im Hemde, ein oder der andere auch in einem Friesmantel. Was Petruschka und Selifan dort taten, mag Gott wissen; aber als sie eine Stunde darauf von dort wieder herauskamen, hatten sie sich untergefaßt, beobachteten vollständiges Stillschweigen, widmeten einer dem anderen große Aufmerksamkeit und bewahrten sich gegenseitig vor dem Anstoßen an eine Ecke. Arm in Arm, ohne einander loszulassen, stiegen sie eine ganze Viertelstunde lang mühsam die Treppe hinauf; endlich hatten sie es geschafft und traten ein. Petruschka blieb eine Minute lang vor seinem niedrigen Bette stehen und überlegte, wie er sich wohl in der anständigsten Weise hinlegen könne, und legte sich schließlich vollständig quer hinein, so daß seine Füße sich auf den Fußboden stützten. Selifan legte sich ebenfalls auf dasselbe Bett, mit dem Kopfe auf Petruschkas Bauch; er hatte ganz vergessen, daß es ihm gar nicht zustand, hier zu schlafen, sondern vielleicht in der Gesindestube, wenn nicht im Stall bei den Pferden. Beide schliefen gleich in demselben Augenblicke ein, indem sie mit einer unerhörten Kraft und Energie zu schnarchen anfingen; der Herr antwortete auf diese Töne mit einem feinen Pfeifen durch die Nase. Bald nach ihrem Einschlafen wurde alles ruhig, und der Gasthof versank in tiefen Schlaf; nur in einem Fenster war noch Licht sichtbar, wo ein aus Rjasan angekommener Leutnant wohnte, anscheinend ein großer Liebhaber von Stiefeln; denn er hatte sich bereits vier Paar machen lassen und probierte nun unermüdlich ein fünftes Paar an. Einige Male war er zum Bette hingegangen in der Absicht, sie auszuziehen und sich schlafen zu legen; aber er konnte es nicht über sich gewinnen: die Stiefel waren wirklich gut gearbeitet, und noch lange hob er den Fuß in die Höhe und besah sich den forschen, elegant gedrechselten Absatz.

Achtes Kapitel
    Tschitschikows Ankäufe wurden der Gegenstand von Gesprächen. Man unterhielt sich in der Stadt über die Frage, ob es vorteilhaft sei, Bauern zum Zwecke der Übersiedelung zu kaufen, äußerte seine Meinungen und debattierte darüber. Von den darüber geführten Reden zeichneten sich viele durch große Sachkenntnis aus. »Gewiß«, sagten manche, »das ist so, das läßt sich nicht bestreiten: das Land ist in den südlichen Gouvernements wirklich gut und fruchtbar; aber was werden Tschitschikows Bauern ohne Wasser anfangen? Es sind ja keine Flüsse da.« – »Das würde noch nichts ausmachen, daß kein Wasser da ist, Stepan Dmitrijewitsch; aber die Übersiedelung, das ist eine bedenkliche Geschichte. Man weiß ja, wie so ein Bauer ist: nun sitzt er da auf neuem Lande und soll den Acker bauen und hat nichts, weder Haus noch Hof; er läuft davon, so sicher wie zweimal zwei vier ist; er macht, daß er wegkommt, und ist spurlos verschwunden.« – »Nein, Alexei Iwanowitsch, erlauben Sie, erlauben Sie, darin stimme ich Ihnen nicht zu, daß Sie sagen. Tschitschikows Bauern würden davonlaufen. Der Russe ist zu allem tauglich und gewöhnt sich an jedes Klima. Und wenn man ihn nach Kamtschatka schickt, man braucht ihm nur ein Paar warme Handschuhe zu geben, so schlägt er ein bißchen die Arme zusammen, nimmt das Beil in die Hand und zimmert sich flugs ein neues Haus.« – »Aber, Iwan Grigorjewitsch, da hast du einen wichtigen Punkt außer acht gelassen: du hast noch nicht gefragt, von welcher Art Tschitschikows Bauern sind. Du hast vergessen, daß kein Gutsbesitzer einen tüchtigen Menschen verkaufen wird; ich lasse mir den Kopf abschlagen, wenn Tschitschikows Bauern nicht die ärgsten Diebe, Trunkenbolde, Faulpelze und Zänker sind.« – »Ja, ja, das gebe ich zu, das ist richtig; niemand wird tüchtige Leute verkaufen, und Tschitschikows Bauern mögen Säufer sein; aber man muß in Betracht ziehen, daß gerade hierdurch eine moralische Wirkung erzielt werden kann: sie sind jetzt Taugenichtse; aber nach der Übersiedelung in ein neues Land können sie auf einmal vortreffliche Untertanen werden. Dergleichen Beispiele hat es schon nicht wenige

Weitere Kostenlose Bücher