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Die toten Seelen: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Die toten Seelen: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Titel: Die toten Seelen: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nikolai Gogol
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sehr manieriert geschrieben!« Dann wurde der Brief selbstverständlich zusammengefaltet und in die Schatulle gelegt, wo er neben einen Theaterzettel und eine Hochzeitseinladung zu liegen kam, welche letztere schon sieben Jahre lang an demselben Flecke aufbewahrt wurde. Bald darauf wurde ihm wirklich eine Einladung zu dem Balle beim Gouverneur gebracht. Solche Bälle sind in Gouvernementsstädten etwas ganz Gewöhnliches; wo ein Gouverneur ist, da sind auch Bälle; sonst würde es von seiten des Adels an der gebührenden Liebe und Hochachtung mangeln.
    Tschitschikow ließ nun sofort alle andersartige Tätigkeit liegen und richtete alle seine Gedanken auf die Vorbereitungen zum Balle; denn es gab in der Tat viele Gründe, die ihn anregten und anspornten. Vielleicht hatte seit Erschaffung der Welt noch nie jemand soviel Zeit auf seine Toilette verwendet. Eine ganze Stunde widmete er allein der Betrachtung seines Gesichtes im Spiegel. Er versuchte ihm den verschiedenartigsten Ausdruck zu verleihen: bald einen würdigen und gesetzten, bald einen respektvollen, aber mit einem Lächeln verbundenen, bald einen einfach respektvollen ohne Lächeln; auch machte er vor dem Spiegel mehrere Verbeugungen in Begleitung undeutlicher Laute, die teilweise mit französischen Ähnlichkeit hatten, obwohl Tschitschikow überhaupt kein Französisch konnte. Er bereitete sogar sich selbst eine Menge angenehmer Überraschungen, indem er sich mit den Augenbrauen zuwinkte, sich mit den Lippen anlächelte, ja sogar mit der Zunge eigentümliche Bewegungen ausführte; kurz, was macht man nicht für wunderliches Zeug, wenn man allein im Zimmer ist und außerdem das Bewußtsein hat, ein hübscher Kerl zu sein, und überdies überzeugt ist, daß niemand durch eine Ritze sieht? Zuletzt klopfte er sich leicht auf das Kinn und sagte dabei: »Ach, du kleiner Bullenbeißer!« und begann dann sich anzuziehen. Diese höchst zufriedene Stimmung hielt bei ihm während der ganzen Zeit des Anziehens an: während er die Hosenträger anlegte oder das Halstuch umband, machte er Kratzfüße, verbeugte sich mit besonderer Gewandtheit und führte, obgleich er nie getanzt hatte, sogar einen Entrechat aus. Dieser Entrechat hatte eine kleine harmlose Folge: die Kommode wackelte, und die Bürste fiel vom Tische.
    Sein Erscheinen auf dem Balle brachte eine ungewöhnliche Wirkung hervor. Alle Anwesenden wandten sich zu ihm, um ihn zu begrüßen, der eine mit den Karten in der Hand, ein anderer beim interessantesten Punkte des Gespräches, nachdem er soeben gesagt hatte: »Und das Unterkreisgericht antwortete darauf …« Aber was das Kreisgericht geantwortet hatte, das ließ er ungesagt und eilte auf unseren Helden zu, um ihn zu bewillkommnen. »Pawel Iwanowitsch! Ach, du mein Gott, Pawel Iwanowitsch! Liebster Pawel Iwanowitsch! Verehrtester Pawel Iwanowitsch! Mein Seelchen Pawel Iwanowitsch! Da bist du ja, Pawel Iwanowitsch! Da ist er, unser Pawel Iwanowitsch! Gestatten Sie mir, Sie an mein Herz zu drücken, Pawel Iwanowitsch! Gebt ihn doch mal hierher; ich will ihm einen herzlichen Kuß geben, meinem teuren Pawel Iwanowitsch!« Tschitschikow fühlte sich gleichzeitig in den Armen mehrerer. Er hatte sich noch nicht aus der Umarmung des Präsidenten losmachen können, da fand er sich in den Armen des Polizeimeisters; der Polizeimeister übergab ihn dem Inspektor des Medizinalwesens; der Inspektor des Medizinalwesens dem Branntweinpächter; der Branntweinpächter dem Baumeister … Der Gouverneur, der in diesem Augenblicke neben ein paar Damen stand und in der einen Hand ein Bonbonpapier, in der anderen ein Bologneser Hündchen hielt, warf das Bonbonpapier und das Bologneser Hündchen auf den Fußboden, so daß das Hündchen ein Gewinsel ausstieß – kurz, Tschitschikow verbreitete ringsum außerordentliche Freude und Heiterkeit. Da war kein Gesicht, auf dem nicht das Vergnügen des Betreffenden zum Ausdruck gekommen wäre oder sich nicht wenigstens ein Abglanz des allgemeinen Vergnügens gezeigt hätte. So ist es der Fall mit den Gesichtern der Beamten, wenn ein hoher Chef angekommen ist, um die ihm unterstellten Behörden zu revidieren: nachdem der erste Schreck vorüber ist, sehen sie, daß ihm vieles gefällt und er selbst sich schließlich dazu herabläßt, ein Späßchen zu machen, d.h. ein paar Worte mit freundlichem Lächeln zu sagen; und nun lachen die ihn am nächsten umgebenden Beamten zur Erwiderung doppelt so laut, als die Sache es verdient; es lachen von

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