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Die Toten von Bansin

Die Toten von Bansin

Titel: Die Toten von Bansin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elke Pupke
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nicht besonders unterhaltsam, aber wenn er spricht, strahlt er etwas aus, was Vertrauen erweckt und Achtung. Sophie weiß, wie wertvoll seine Freundschaft ist, denn er hat nicht viele Freunde, aber die können sich auf ihn verlassen, ein Leben lang. Sie möchte diese Freundschaft, die vielleicht gerade beginnt, nicht durch eine Liebelei riskieren. Aber vielleicht, hofft sie, ist es nun doch noch die ganz große Liebe, an die sie nicht mehr geglaubt hat.
    Während sie langsam zurückgeht, hat sie das Gefühl, als würde sie direkt über das Wasser laufen. Der Nebel ist noch dichter geworden und verschlingt den Strand und den Steg vor ihr. Sie ahnt nicht, dass der Mann, an den sie gerade denkt, nicht einmal hundert Meter von ihr entfernt um sein Leben bangen muss.
    Arno Potenberg ist, wie an fast jedem Vormittag, auch heute in die Ostsee baden gegangen. Er ist kurz untergetaucht, dann ein paar Meter geschwommen und wieder getaucht. Als er an die Wasseroberfläche kommt, sieht er sich erschrocken um. Das Ufer ist nicht zu sehen und er weiß nicht, in welcher Richtung es sich befindet. Das Wasser ist hier ganz glatt, die kleinen Wellen kräuseln sich nur dicht am Ufer. Er lauscht einen Moment, um sie plätschern zu hören, aber der Nebel verschlingt alle Geräusche. Einen Moment erscheint ihm alles unwirklich, als wäre er ganz allein auf der Welt. Das Adrenalin erwärmt ihn für eine kurze Zeit, aber er muss sich beeilen, bei dieser Wassertemperatur ist der Körper schnell ausgekühlt, dann ist er zu schwach, um das Ufer zu erreichen. Schnell taucht Arno wieder unter, bis seine Füße den Meeresgrund erreichen. Dann taucht er auf, paddelt ein kurzes Stück und geht wieder unter Wasser. Er ist erleichtert, der Boden ist jetzt näher, die Ostsee wird flacher. Nach ein paar weiteren Schwimmzügen kann er auf dem Meeresgrund laufen, ohne zu tauchen. So schnell er kann, geht er ans Ufer. Dort atmet er auf. Als er in die Hütte kommt, klopft sein Herz immer noch heftig. Das hätte schiefgehen können, wäre er in die falsche Richtung geschwommen, hätte er seinen Leichtsinn vielleicht mit dem Leben bezahlt.
    Plötz steht vor seiner Hütte und blickt missmutig in Richtung Ostsee, die noch immer vom Nebel verhüllt wird. »Schietwedder«, murmelt er und spuckt in den Sand.
    Â»Nun komm rein und mach die Tür zu«, ruft Berta. In der Bude ist es gemütlich. Der kleine eiserne Ofen verströmt Wärme, es riecht nach Fisch und ein wenig nach dem Kiefernholz, mit dem der Fischer das Feuer anzündet. Der Weißhaarige und Steffi sitzen auf Fischkisten, Berta auf dem Küchenstuhl neben dem Ofen.
    Â»Hast du das Nadelöhr mal wieder kontrolliert?«, fragt sie, als Plötz hereinkommt und sich in seinen Sessel fallen lässt. Der wirft einen schnellen Blick zu Steffi, die schon zu einer Frage ansetzt und schüttelt den Kopf.
    Â»Das nützt nur, wenn wir rausfahren können«, knurrt er. »Verstehst du sowieso nicht«, bescheidet er der Kölnerin, die nichts entgegnet.
    Berta lacht. »Warum soll sie das nicht verstehen? Ist doch ganz einfach. Und das braucht dir gar nicht peinlich zu sein, es funktioniert doch. Das ist so«, erklärt sie, »im Ruderhaus steckt eine Stopfnadel. Und nur, wenn das Öhr ganz sauber ist, hat der Fischer einen guten Fang. Klar, das ist ein Aberglaube. Aber weiß man’s?«
    Der Fischer nimmt seine blaue Schirmmütze ab, streicht durch das strähnige graue Haar und nickt. »Bei mir jedenfalls klappt es. Ob du es glaubst oder nicht: als ich es mal vergessen hatte, habe ich tagelang nicht einen Heringsschwanz im Netz gehabt. Dann hab ich das Öhr sauber gemacht und hatte am nächsten Tag einen Riesenfang. Kannst du Arno nach fragen.«
    Â»Ich glaube an so was. Manche Sachen sind ja wirklich Unsinn, aber es gibt so viel, was wir uns nicht erklären können. Und die Alten haben vieles gewusst, was in Vergessenheit geraten ist. Die konnten das Wetter auch ohne Internet voraussagen«, meint Berta.
    Â»Mussten sie ja auch. Gerade die Fischer und Seefahrer haben das Wetter immer genau beobachtet, davon hing manchmal ihr Leben ab. Manches, was wir heute für Aberglauben halten, waren einfach Beobachtungen und Erfahrungen. Na ja, manches war auch Unsinn«, gibt Plötz zu, »die Alten haben auch gern mal Gruselgeschichten erzählt, wenn die Winterabende lang waren. Ich

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