Die Toten von Bansin
Entwicklung weniger gut gefällt. Er vermutet jetzt sogar, dass Arno der Grund dafür war, dass Sophie ihr Verhältnis nun wohl wirklich beendet hat. Plötzlich packt ihn ein Anfall von Reue. âºWarum hab ich Idiot so lange gezögertâ¹, denkt er. âºIch hätte Ernst machen sollen, als ich die Gelegenheit hatte. Mich scheiden lassen und zu Sophie bekennen. Nun ist es wohl zu spät.â¹
Etwas gezwungen lächelt er seine Frau an, die das Telefon zurückgegeben hat und neben ihm an der Bar stehen bleibt. Er ahnt nicht, wie leicht sie ihn durchschaut und wie wütend sie das macht.
Alexander Brinkmann sitzt in der Bar seines Hotels und bemüht sich, nicht schon wieder auf die Uhr zu sehen. Er ist todmüde und hat nicht die geringste Lust, hier noch länger zu sitzen. Als die Bardame zu ihm hinübersieht, gibt er ihr ein Zeichen. Sie nickt leicht, sie hat verstanden, dass ihr Chef keinen Alkohol mehr möchte, aber seine Gäste das nicht bemerken sollen. Als sie die nächste Runde an den Tisch bringt, muss sie sehr aufpassen, dass er das richtige Glas bekommt, denn die drei Getränke sehen gleich aus und nur eines ist alkoholfrei. Das Paar, mit dem er zusammensitzt, ist ihr sehr unsympathisch. Der Mann wirkt ungepflegt und ist so fett, dass er sich nur mühsam in den eleganten Sessel zwängen konnte. Er wird immer lauter, je mehr er trinkt, und inzwischen kann sie auch in fünf Metern Entfernung jedes Wort verstehen. Er ist mal wieder bei seinem Lieblingsthema, den âºOssisâ¹.
»Nur am Jammern und Meckern sind die. Ich meine, sieh dich doch mal um. Was hier in den letzten zwanzig Jahren gebaut wurde! Ich war ja gleich Anfang der neunziger hier, da waren das doch nur Ruinen! Inzwischen haben die bessere StraÃen als wir. Das ist doch alles unser Geld. Und dann wählen sie die Roten.« Er schüttelt den Kopf. »Wollen wohl am liebsten den Kommunismus wieder haben.«
»Natürlich«, mischt sich die dürre Blondine mit zu viel Schminke und dümmlichem Gesichtsausdruck neben ihm ein. »Jetzt müssen die ja auch arbeiten für ihr Geld, so wie wir, das wollen die doch gar nicht.«
Brinkmann rückt an seiner randlosen Brille und blickt sich peinlich berührt um. Er weiÃ, dass er im Ort immer noch ein Wessi ist, hofft aber, dass er niemals so einen überheblichen Eindruck auf seine Mitmenschen gemacht hat, wie diese beiden. Am liebsten würde er aufstehen und gehen, noch lieber den beiden seine Meinung sagen. Er denkt an seine Küchenleiterin, von der er weiÃ, dass sie mit nur drei oder vier Kollegen in dem FDGB-Heim manchmal fünfhundert Gäste versorgt hat. Diese Dame, die ihm gegenübersitzt, war fast ihr ganzes Leben lang Hausfrau.
âºAnscheinend hatte sie schon ein Problem damit, ihren Mann vernünftig zu bekochen, so wie der aussiehtâ¹, denkt der Hotelier genervt, lächelt aber gezwungen und hebt sein Glas. »Zum Wohl, auf eine gute Zusammenarbeit.«
Der Mann ist Busunternehmer und hat für das nächste Jahr geplant, mehrere Fahrten auf die Insel Usedom anzubieten. Er sieht sich Hotels an und meint, die Seeresidenz ist für die Unterbringung seiner anspruchsvollen Kunden geeignet. Jetzt muss man sich nur noch über den Preis einigen. Wenn er allerdings glaubt, Brinkmann würde ihm unter dem Einfluss von Alkohol erheblich entgegenkommen, hat er sich geirrt. Der ist nicht nur viel nüchterner, als sein neuer Geschäftspartner glaubt, sondern hat auch feste Preisvorstellungen, von denen er nicht abweicht.
Der Hotelier hat schon beschlossen, sich in den nächsten Minuten unter einem Vorwand zurückzuziehen, aber dann überlegt er es sich anders. Das Pärchen ist jetzt ziemlich betrunken und sie erzählen vermutlich einiges, was sie normalerweise für sich behalten hätten. Also, warum soll er diesen Umstand nicht ausnutzen, um etwas mehr über seine Geschäftspartner zu erfahren, vielleicht mehr, als denen lieb ist. Er lehnt sich noch einmal zurück, nickt freundlich zu dem Geschwätz und lenkt vorsichtig das Gespräch.
Ungehalten blickt er auf, als eine Mitarbeiterin aus dem Empfangsbereich an ihn herantritt und ihn leise anspricht. »Entschuldigen Sie, Herr Brinkmann, hätten Sie einen Moment Zeit? Es gibt ein kleines Problem.«
Er sieht zur Bardame hinüber, aber die schüttelt den Kopf, was wohl heiÃen soll, dass sie nichts damit zu tun
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