Die Toten von Bansin
hab noch mit vierzehn an den Klabautermann geglaubt. Mein GroÃvater hat immer behauptet, er hätte ihn selbst gesehen. Und GroÃvater war eine Respektsperson. Was der sagte, wurde nicht angezweifelt. Mann, hat der mir ein Seemannsgarn erzählt!« Plötz lacht. »Aber er hat mir auch viel beigebracht, was mir noch heute nützt. Von der Fischerei und so. Da hat sich gar nicht so viel verändert.«
»Mein GroÃvater ist ja schon gestorben, als ich noch klein war«, bedauert Berta. »Er war Kapitän«, erklärt sie Steffi. »Aber er war schon alt, als ich geboren bin. Da saà er schon nur noch in seinem Sessel, hat Pfeife geraucht und auf die Ostsee gekuckt. Geredet hat er nicht viel. Aber meine GroÃmutter war auch ziemlich abergläubisch und hat viel von früher erzählt, von den Sitten und Gebräuchen, besonders in der Seefahrt. Ich fand das immer sehr spannend und ein bisschen unheimlich.« Sie überlegt. »An eine Sache erinnere ich mich besonders gut. Als mein GroÃvater jung war und bei seinen Eltern lebte, ist er auch schon zur See gefahren. Und bei seiner letzten Mahlzeit zu Hause, bevor er rausgefahren ist, hat seine Mutter ihm immer so viel auf den Teller getan, dass er es nicht aufessen konnte. Es musste immer ein Stück Brot übrig bleiben. Und dann hat sie gesagt: âºLass man liegen, Jung, das isst du, wenn du wiederkommst.â¹ Sie hat das Brot aufgehoben und das war die Garantie, dass er wiederkommen musste. Er musste ja aufessen. Diese Geschichte hat mich mächtig beeindruckt.«
»Ja, es gab viel Aberglauben bei der Seefahrt«, bestätigt Plötz. »Und besonders im Lieper Winkel, da wo meine Frau herkommt. Die waren ja auch so ziemlich abgeschnitten von der Insel, früher waren die auch alle miteinander versippt und verschwägert. Da konntest du heiraten, sooft, wie du wolltest, die Familie blieb immer die gleiche.«
»Kennst du auch noch Lüttenweihnachten ?«, fällt Berta ein.
»Klar«, nickt der Fischer. »Das haben wir als Kinder immer gemacht. Gibt es das eigentlich noch?«
»Keine Ahnung.« Berta zuckt mit den Schultern. Dann erklärt sie, an Steffi gewandt: »Das ist eine Weihnachtsfeier für die Tiere im Wald. Da wird ein Baum geschmückt, mit Kerzen, aber mit Tierfutter. Also mit Mohrrüben, Kartoffeln, Brot und so was. Und die Kinder singen und sagen auch irgendwas dabei. Aber was, das hab ich vergessen.«
Arno ist inzwischen gekommen und hat die letzten Sätze mitgehört. Er stellt den Kasten Bier ab, auf dem zwei Flaschen Rum liegen, und zieht sich den Anorak aus.
»Aber die Idee ist schön«, mischt er sich ein. »Das könnte man zu Weihnachten mit den Urlaubern machen.«
»Stimmt.« Berta ist begeistert. »Besonders für die Kinder wäre das ein tolles Erlebnis. Am besten natürlich im verschneiten Winterwald. Da muss ich mal mit Sophie drüber reden.« Sie steht auf. »Ich muss dann auch los. Komm, mein Kleiner«, wendet sie sich an Bobby, Jahns kleinen Terrier, »wir machen noch einen schönen Spaziergang und dann gehen wir zu Sophie, Mittag essen.«
»Montag bin ich übrigens nicht da«, sagt Plötz noch schnell, bevor Berta die Bude verlässt. »Ich muss nach Greifswald, zum Arzt. Arno ist wohl hier, aber Fisch haben wir nicht, auch wenn der Wind endlich dreht. Aber denn bringen wir Montagnachmittag die Netze raus und holen sie Dienstag rein.«
Berta ruft nur noch kurz »Tschüss« in die Hütte und folgt ihrem Pflegehund, der schon ungeduldig an der Leine zerrt.
Samstag, 17. November
»Der November ist wirklich der schlimmste Monat in der Gastronomie«, stellt Sophie wieder einmal fest. »Urlauber kommen nicht und die Einheimischen geben ihr Geld lieber für Weihnachtsgeschenke aus. Und der Januar ist auch hart«, fügt sie hinzu. »Da hat keiner mehr Geld.« Sie seufzt.
Jenny nickt. »Ist bei mir dasselbe. Aber ich mache jetzt die Planung für das nächste Jahr. Wir haben schon eine ganze Menge Anfragen.«
Anne blickt sie etwas skeptisch von der Seite an. »Na hoffentlich«, murmelt sie. »Ich finde, im letzten Jahr war es merklich ruhiger als sonst.«
Die Agenturchefin lässt sich ihren Ãrger nicht anmerken. »Das bildest du dir ein. Vielleicht waren es ein paar Fahrten weniger, es waren ja auch nicht so viele Gäste da, auf Grund des verregneten
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