Die Toten von Bansin
Einkaufen.
»Haben die hier wenig Verkäuferinnen«, murrt Berta, während sie zum dritten Mal die Kühltheke durchstöbert. »Und ich hab noch keine gesehen, die ich kenne.«
»Ich schon.« Anne deutet zur Kasse. »Die da drüben, die ging bei mir in die Klasse und die schnattert gerne. Was soll ich sie fragen?«
Als sie eine halbe Stunde später wieder im Auto sitzen, weià Berta, dass Töpfer nicht der Chef des Supermarktes, sondern nur ein Angestellter war, dass seine Witwe Karin heiÃt, dass sich die beiden hier bei der Arbeit kennen gelernt haben und dass sie seit dem Tod ihres Mannes krankgeschrieben ist. Bevor sie als Verkäuferin eingestellt wurde, hat sie als Zimmerfrau bei Brinkmann gearbeitet, an dem sie im Nachhinein nie ein gutes Haar gelassen hat.
Berta ist sehr zufrieden mit den neuen Erkenntnissen.
Dienstag, 11. Dezember
Als die Köchin der Seeresidenz ihr Fahrrad, wie an jedem Tag, am Kehr wieder vorbeischiebt, tritt Berta wie zufällig aus dem Haus. Freundlich begrüÃen sich die Frauen.
»Hast du es eilig?«, fragt Berta. »Sonst komm doch ein bisschen mit rein, einen Kaffee trinken. Wir müssen doch nicht hier auf der StraÃe stehen und quatschen.«
»Na klar, Berta. Wir haben ja lange keinen Kaffeeklatsch mehr gemacht. Sonst hab ich ja auch immer wenig Zeit, aber im Moment ist bei uns nicht so viel zu tun.«
Gemeinsam gehen sie ins Haus und setzen sich an den Stammtisch. Zunächst tauschen sie Erinnerungen an ihre gemeinsame Zeit in den FDGB-Ferienheimen aus. Nachdem sie vom Kaffee zum Grog übergangen sind, erfährt Berta unter dem Siegel der Verschwiegenheit, was in der Seeresidenz in letzter Zeit alles vorgefallen ist.
»Ist das nicht furchtbar«, flüstert die dicke Köchin mit glänzenden Augen und roten Ohren, »es ist direkt unheimlich. Sogar die Polizei war da, die haben uns alle verhört. Aber sie haben auch nichts herausgefunden. Brinkmann ist fix und fertig. Also, ich glaube ja, dass ein ehemaliger Mitarbeiter hinter allem steckt. Vielleicht einer, den er entlassen hat. Da gibt es ja durchaus einige, die nicht so gut auf ihn zu sprechen sind.«
»Ja«, hakt Berta ein, »das könnte ich mir gut vorstellen. Ãbrigens, die Frau von dem Mann, der da auf dem Bahnübergang verunglückt ist â wie hieà er noch â, hat die nicht auch mal bei euch gearbeitet?«
»Töpfer! Karin Töpfer!« Die Frau nickt eifrig. »Ja, der würde ich das zutrauen. Kennst du die?«
»Nein, bloà so vom Sehen.«
»Na, ich sag dir, das ist vielleicht ein Biest. Die konnte keiner leiden. Ich hatte ja nicht so viel mit ihr zu tun, sie war in den Zimmern. Aber wenn sie mal bei uns in der Küche aushelfen sollte, hat sie nur rumgemotzt. Die war so was von zickig und immer schlecht gelaunt. Ich glaube, ich habe die noch nie lachen gesehen.« Sie trinkt den letzten Schluck Grog und sieht dann in ihr leeres Glas. »Ich glaube, ich sollte jetzt â¦Â«
»Ach, einen trinken wir noch. Du weiÃt doch, so jung kommen wir nicht wieder zusammen.«
»Na gut. Es ist so schön gemütlich bei euch. Ich glaube, ich schaue jetzt öfter mal vorbei.«
âºDu fehlst uns hier auch gerade nochâ¹, denkt Sophie, die hinter der Theke steht. Die geschwätzige Frau, die penetrant nach altem Frittierfett riecht, geht ihr allmählich auf die Nerven.
»Das machst du.« Berta nickt energisch und gibt Sophie ein Zeichen, die Gläser wieder zu füllen. »Aber sag mal, diese Karin Töpfer, die arbeitet doch jetzt beim Supermarkt. Warum hat die denn bei euch aufgehört, verdient sie da mehr?«
»Keine Ahnung. Aber aufgehört hat sie, weil sie sich selbständig machen wollte. Mit ihm zusammen.«
»Ich denke, die haben sich erst bei Aldi kennen gelernt.«
»I wo! Die hatten doch so einen komischen Wohnwagen, da hatten sie Ware drin und damit sind sie über die Dörfer gefahren. Ãberall dahin, wo es keine Läden mehr gibt. Wenn sie davon erzählt hat, war sie ganz begeistert von ihrer Idee, oder seiner, was weià ich. Sie hat gedacht, die warten da bloà auf sie. Aber das war wohl doch nicht so. Entweder hatten sie die falschen Sachen oder sie waren zu teuer, vielleicht auch beides, jedenfalls hat das Ganze nicht funktioniert.«
»Hatten sie dafür denn einen Kredit aufgenommen?«
»Nein, aber sie wollten! Jetzt wo
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