Die Toten von Crowcross
probierte er es. Dabei war ihm jeder Vorwand recht. Keine ließ sich von ihm einschüchtern (wie auch?), aber alle sagten sie, er sei ihnen nicht geheuer. Der ist von der Sorte, die einen anstarrt wie ein Stück Fleisch in der Metzgerauslage , sagte Hilary einmal.
Als das mit der Katze passierte, gingen wir schon lange nicht mehr ins Dorf, es sei denn, es ließ sich überhaupt nicht vermeiden, und ganz bestimmt ging keiner allein. Gilbert aber fand trotzdem Mittel und Wege, uns zu demonstrieren, was er von uns hielt. Ein paar Tage nachdem wir die tote Katze gefunden hatten, kam Claire mit ihrem MG aus Crowby zurück und blieb nicht weit von der Zufahrt zum Flughafen hinter einem Traktor hängen. Da kam, wie sie uns später erzählte, plötzlich Gilbert in Daddys Jaguar von hinten herangedröhnt und schwenkte gleich auf die andere Spur, statt abzuwarten, bis er mit dem Überholen an der Reihe war. Immerhin hatte er, solange er neben ihr war, genug Zeit, das Tempo zu drosseln, die Scheibe herunterzukurbeln und zu feixen: » Miau, miau , genau so hat das Kulakenschwein geschrien, ich schwöre es.« (Die Kulaken, lieber Leser, waren die »reichen« Bauern, die dumm genug waren, sich dem Kollektivierungsprogramm des Genossen Stalin zu widersetzen ế ) An dem Abend saßen wir alle in der Küche und beschlossen einstimmig, dass Nigels Stillhaltestrategie von den Geschehnissen überholt worden war und es nur noch eine mögliche Antwort gab: die volle Vergeltung. .
Andy übernahm die Führung. Seine Army-Erfahrung mit Autodiebstählen und Einbrüchen machte ihn zum idealen Kandidaten. Ruhig und sorgfältig entwickelte er seinen Plan und begann ihn in die Tat umzusetzen.
Wir wussten, wir mussten vorsichtig sein. So sinnlos es gewesen wäre, der Polizei die Attacken gegen uns zu melden, so anders verhielt es sich im umgekehrten Fall. Wir mussten unbemerkt bleiben und durften keinerlei verräterische Spuren hinterlassen. Bewusst warteten wir ein paar Wochen ab und entschieden uns schließlich für eine besonders trübe Nacht mit tief hängenden Wolken.
Hilary war die Fahrerin. Sie setzte uns ab und wartete in Nigels Kleintransporter an einer Stelle im Crowcross Wood, die von der Colebrook Farm aus gut zu erreichen war, wenn man die richtigen Querfeldeinwege kannte. Und das taten wir alle längst. Andy, Oliver und ich bildeten den Angriffstrupp. Alle anderen hatten im Cottage zu bleiben und Stein und Bein zu schwören, wir seien auch da gewesen, sollten die Jungs in Blau später kommen und bei uns herumschnüffeln. Andy hätte den Job sicher auch allein erledigen können, aber für den Fall, dass es Probleme gab und er sich den Fluchtweg freikämpfen musste, brauchte er Unterstützung, da waren wir uns einig. Oliver und ich nahmen unsere Patrouillenknüppel mit. Wir wussten, die Gilberts hatten Schäferhunde, waren aber nicht sicher, wie viele. Auf bis zu sechs waren wir vorbereitet. Sollten es mehr sein, wollten wir die Aktion abbrechen und das Weite suchen.
Es war Mitternacht, als wir unser Ziel erreichten. Einer nach dem anderem schlichen wir uns an das Haus der Gilberts heran. Blieben stehen. Lauschten . Schlichen weiter. Blieben stehen. Schlichen weiter. Ein paarmal brachten wir die Hunde zum Bellen, aber das war nicht dramatisch. Im Wald gleich nebenan gab es jede Menge Füchse, Dachse und Wild, sodass wir annahmen (oder sagen wir: hofften), ein gelegentliches Bellen würde die Gilberts nicht gleich aus dem Schlummer reißen. Dazu hätten die Hunde sicher alle gleichzeitig anschlagen und anhaltend bellen müssen .
Als wir endlich nahe genug waren, erkundete Andy die Lage mit seinem Nachtglas. Claire hatte uns bestens ausgestattet. Sie war am vorangegangenen Wochenende nach Hause gefahren, nach Sussex, und hatte alles besorgt, was wir uns in Crowby und Umgebung nicht beschaffen durften, wollten wir uns nicht verdächtig machen. Nur vier, flüsterte Andy uns zu, das wird kinderleicht. Diesen Abend werde ich nie vergessen. Ich kann die Augen schließen und bin wieder dort, höre alles, sehe alles.
Ich gab ihm den Sack, und er ging in Stellung. Eins nach dem anderen warf er die Steaks in den Hof, mit wohldosierter Kraft, geradezu elegant. Der Leithund stürzte sich auf das erste Stück Fleisch, die anderen folgten. Wir wussten nicht, wie lange das Gift und die Schlafmittelmarinade, in die die Steaks eingelegt gewesen waren, brauchen würden, um ihre Wirkung zu entfalten. Daher waren wir auf eine längere Wartezeit
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