Die Toten von Crowcross
Crowcross, das eher ein Weiler als ein Dorf war, direkt an der Crow gelegen. Es bestand aus etwa zehn gepflegten, efeuberankten Häusern, einer längst säkularisierten Kirche, einer Tankstelle mit Laden und einem Pub, dem »Crowcross Arms« . Fuhr man noch eine Meile weiter, gelangte man zum Crowcross Wood, einem Wald der Forstwirtschaftsbehörde (wie es im Hinterland einige gab), bei Vogelbeobachtern und Wanderern, die am Wochenende und an Sommerabenden von Crowby hier herauskamen, gleichermaßen beliebt. Es gab auch ein paar Bauernhöfe und einige sehr abgelegene Cottages und Bungalows wie den, den Martin Grove sich von seiner Entschädigung gekauft hatte. Hinter dem Wald lag der verlassene RAF-Flugplatz und dahinter, wie Jacobson sich jetzt erinnerte, das Cottage, in dem Claire Oldham zur Zeit ihrer Ermordung gewohnt hatte.
Sein Handy klingelte, als der Streifenwagen am »Crowcross Arms« vorbeiraste. Robinson, der Pathologe, bestätigte, dass er vom Wachraum verständigt worden sei und schnellstmöglich am Tatort zu ihnen stoßen werde. Jacobson sah zum Parkplatz des Pubs hinüber, tagsüber war es hier ruhig. Er selbst hatte nicht allzu viel für idyllisch gelegene Pubs auf dem Lande übrig – oder, besser gesagt, ganz allgemein für das Land nicht. Es gefiel ihm nicht, wie allerorten die Natur gezähmt und sterilisiert wurde, umzäunt und ordentlich aufgeteilt in überteuerte Grundstücke und Liegenschaften. Zu sehr erinnerte das Land ihn an Englands triste, lausige Geschichte, und außerdem gab es dort draußen für seinen Geschmack viel zu viele feine Pinkel, hutlüpfende Schleimer und ärmliche Kinder. Dummerweise sah Alison das ganz anders; sie probierte gern an ihren seltenen gemeinsamen freien Tagen die Küche ländlicher Gastro-Pubs aus. Der »Bideford Arms«, einer ihrer Lieblings-Pubs, lag nur ein paar Meilen entfernt. Hier, in Crowcross, waren sie noch nicht gewesen ế Vielleicht gab es hier keinen bekannten Koch, der Feinschmeckerin Alisons Gaumenfantasien anregte. Bis jetzt hatte Jacobson sich noch nicht über diese Ausflüge beklagt; schließlich waren sie harmlos und vor allem etwas, das Alison wirklich zu genießen schien ế Das war das Wichtigste. Er kannte sie jetzt seit ein paar Jahren, war aber noch weit, weit davon entfernt, sich ihrer aus Selbstgefälligkeit und Gewohnheit sicher zu sein. Im Grunde konnte er sein Glück immer noch nicht fassen, und er gab sich alle Mühe, nicht noch eine Beziehung den Automatismen der Selbstzerstörung zu überlass en ế
Er nahm sich fest vor, später einen Blick in den »Crowcross Arms« zu werfen. Der Pub stand zwar sowieso auf der Liste für die Befragungen, aber Jacobson war noch zu sehr Detective, als dass er die beste Quelle für Dorf klatsch allein seinen Fußtruppen überlassen hätte. Die Häuser hier draußen waren teuer und gehörten entweder betuchten Städtern, die am Wochenende Heimeligkeit im eigenen Zweithaus suchten, oder gut verdienenden Pendlern, die das tägliche Hin und Her nicht scheuten. Bestimmt war keiner von denen, da wäre er jede Wette eingegangen, über Martin Grove als neuen Nachbarn erfreut gewesen, und mit Sicherheit hatten einige ein Auge auf seine Aktivitäten, sein Kommen und Gehen gehabt. Da konnte ihnen gut etwas Wichtiges aufgefallen sein. Die Videobande im vergangenen Jahr hatte ihn schon einmal nach hier draußen gebracht, aber erst im letzten, blutigen Stadium, und da war es nicht mehr nötig gewesen, die Anwohner zu belästigen.
Als der Streifenwagen die von Hume angegebenen Koordinaten erreichte, wartete Jim Webster, der Chef der Spurensicherung – oder Crime Scene Manager, wie das neuerdings auch genannt wurde – schon am Straßenrand. Hinter ihm standen der Wagen der Spurensicherung und ein paar weitere Polizeifahrzeuge, möglichst dicht an die Büsche gedrängt, um die schmale Straße nicht zu blockieren. Webster erklärte, er habe seine Leute fürs Erste aufgeteilt: Die eine Hälfte sei noch bei Grove, die andere bereits hier. Jacobson schlüpfte in sein Jackett, das er für die Fahrt ausgezogen hatte, und folgte Webster in den Wald. Es war nicht weit. Die Tote lag etwa zwanzig Meter von der Straße entfernt. Einer von Websters Leuten hatte sie ohne Erfolg nach Papieren durchsucht, aber nur vorsichtig, um möglichst nichts Wichtiges zu verändern, bis alle notwendigen Prozeduren ausgeführt waren und, was besonders wichtig war, Robinson eine erste Untersuchung vorgenommen hatte.
Gemeinsam mit Webster
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