Die Toten von Crowcross
dem Fall befasst gewesen, hatte in jener Nacht aber DCI Hunter und dessen Sergeant hier rausgefahren, genau an diese Stelle, wo damals Claire Oldhams Leiche lag. Er hatte die Taschenlampen getragen, als sie in den Wald gingen. Jetzt sah er das alles wieder vor sich und fragte sich, warum er sich nicht gleich erinnert hatte. Hierher waren sie gekommen . Hier war Claire Oldham sterbend zurückgelassen worden. Am Fuß dieses Baumes hatte Claire Oldham ihr Leben ausgehaucht.
Nigel Copeland war so gnädig, sich vom Vorstand von Planet Avionics bewirten zu lassen, nachdem ein Vertragsentwurf zustande gekommen war, zu dem es – wie er wusste und wie sie wussten – keine Alternative gegeben hätte: ein Rettungspaket, das ihre jämmerlichen Arsche rettete, erkauft mit einer massiven Anteilsüberschreibung an Copeland Insight PLC . Wenigstens war das Essen annehmbar (von einem Caterer gebracht), und jemand hatte einen einigermaßen trinkbaren Chablis ausgesucht, mit dem sich der Fisch herunterspülen ließ. Leutselig ergab er sich einem Stündchen milder Langeweile, bevor er die Flucht ergreifen konnte. Ziemlich sicher würden sie ihn hier nie Wiedersehen. Der Relaunch von Planet Avionics war eindeutig ein nachgeordneter Gig; er würde ihnen einen seiner mäßig talentierten Männer schicken (vielleicht auch eine Frau) und sich berichten lassen, wie die Sache lief. Ganz sicher war der Fall nicht wichtig genug, um einen seiner potenziellen Überflieger darauf anzusetzen. Nach Dessert und Käse wollte er gehen, entschied er, noch vor Kaffee und Cognac, und Crowby für die nächsten Jahrzehnte wieder sich selbst überlassen – oder, was noch weitaus wahrscheinlicher war, für immer.
Die langbeinige PR-Süße war neben ihn gesetzt worden, der Geschäftsführer auf seine andere Seite. Der Geschäftsführer, der bereits ein paar Drinks intus hatte und offenbar in dem Irrglauben lebte, er besitze humoristisches Talent, erzählte gerade einen weiteren seiner abgestandenen Witze, die er aus dem Internet heruntergeladen haben musste. Frage: Wo wollen alle Blondinen hin? (» Entschuldigen Sie, Debbie.«) Antwort: An die Viagra-Fälle. Und immer so weiter. Nigel ignorierte ihn höflich und konzentrierte sich darauf, PR-Blondie glauben zu machen, dass ihre Amateur-Flirterei bei ihm verfing. Nigel schätzte sie auf etwa dreißig, karrieregeil, gefangen in einer Ehe mit einem College-Freund, mit dem im Bett nichts mehr lief und den sie restlos überhatte. Sie erschien ihm so verlockend wie ein Wochenende auf dem Saturn, aber er lächelte ihr trotzdem zu, während sie ihm von ihren Plänen erzählte, aus der PR in die Personalentwicklung zu wechseln.
Der einzige Mann im Raum, mit dem sich ein Gespräch womöglich gelohnt hätte, war Dyson, der Firmenanwalt, doch der saß außerhalb seiner Reichweite. Dyson war dabei gewesen, als es Planet Avionics erwischt hatte, und wusste sicher ein paar amüsante Kriegsgeschichten zu erzählen ế
»Zu Gus Mortimers Zeiten waren Sie also noch nicht hier?«, fragte er Blondie unvermittelt, um zu sehen, wie sie auf die Frage reagierte und ob sie sich eventuell auf dem falschen Fuß erwischen ließ.
»Nein«, kam es wie aus der Pistole geschossen. Allem Anschein nach war sie darauf vorbereitet gewesen. »Neunzig Prozent des Vorstands sind, äh, nach Mortimer gekommen. Ein oder zwei, Bill Dyson zum Beispiel, sind damals geblieben, um Kontinuität zu gewährleisten. Aber das waren Leute, die nichts mit den Geschäften zu tun hatten, absolut nichts. Hier haben alle eine weiße Weste.«
Nigel leerte ein weiteres Glas Chablis und wartete darauf, dass ihm einer der dumm herumstehenden Kellner nachschenkte.
»Eine weiße Weste ist gut ịẻế unter fast allen Umständen«, sagte er und ließ sie noch etwas arbeiten für ihr Geld.
Sie lächelte zur Antwort, beugte sich etwas zu ihm herüber und nahm einen lipglossglänzenden Schluck aus ihrem Glas.
Planet Avionics war eine einigermaßen erfolgreiche Firma gewesen, bis fünf Jahre zuvor ein neuer Hotshot-Manager als Geschäftsführer eingesetzt worden war, der versprach, das Verkaufsprofil der Produktlinien (Tachometer, Höhenmesser und andere Systeme für die Luftfahrtindustrie) massiv auszuweiten. Stattdessen hatte er die Firma in eine undurchsichtige europaweite illegale Unternehmung verwickelt, die Militärmaterial an Schurkenstaaten und Diktaturen verkaufte. Das Schlimmste daran war, dass er auf flog und die Sache an die große Glocke gehängt
Weitere Kostenlose Bücher